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Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit
Autoren: George R. R. Martin
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Möglichkeit, der Entdeckung zu entgehen.
    Inzwischen wurden die Kartographierungs-Robosonden eingeholt, um gewartet und neu programmiert – und dann wieder ausgesandt zu werden. Da die Topographie detailliert bekannt war, konnten die Sonden ohne Befürchtung, daß sie gegen einen verborgenen Berg stießen, auf Tiefflugpatrouille durch die Nebel geschickt werden. Die Wahrnehmungsausrüstung, die die Sonden trugen, war natürlich mit der in den Geisterfallen nicht ebenbürtig. Aber die Sonden hatten eine viel größere Reichweite und konnten jeden Tag Tausende von Quadratmeilen erkunden.
    Als die Geisterfallen schließlich verteilt und die Robosonden in der Luft waren, begaben sich Dubowski und seine Männer persönlich in die Nebelwälder. Jeder trug einen schweren Rückentornister aus Sensoren und Aufspürvorrichtungen. Die menschlichen Such-Teams besaßen mehr Beweglichkeit als die Geisterfallen und kompliziertere Ausrüstung als die Sonen. In mühseligem Detail erforschten sie jeden Tag eine andere Gegend.
    Ich schloß mich einigen dieser Ausflüge an; mit einem eigenen Rückentornister. Es machte eine interessante Kopie aus, auch wenn wir nie etwas fanden. Und während der Suche verliebte ich mich in die Nebelwälder.
    Die Touristenliteratur nennt sie gern „die gespenstischen Nebelwälder der heimgesuchten Geisterwelt“. Aber sie sind nicht gespenstisch. Nicht wirklich. Es gibt dort eine eigenartige Schönheit für jene, die sie zu würdigen wissen.
    Die Bäume sind dünn und sehr hoch, mit weißer Rinde und blassen, grauen Blättern. Aber die Wälder sind nicht farblos. Es gibt einen Parasiten, eine Art hängendes Moos, das sehr verbreitet vorkommt, und es tropft in Kaskaden von Dunkelgrün und Scharlachrot von den überhängenden Ästen. Und es gibt Steine und Ranken, und niedere Büsche, voller unförmiger, purpurner Früchte.
    Aber es gibt keine Sonne – natürlich nicht. Die Nebel verbergen alles. Sie wirbeln und gleiten um einen herum, während man geht, streicheln einen mit unsichtbaren Händen, klammern sich an die Füße.
    Gelegentlich treiben die Nebel ihr Spiel mit einem. Die meiste Zeit geht man durch einen dichten Nebel, unfähig, mehr als ein paar Fuß weit in jede Richtung zu sehen, die Schuhe im Nebelteppich unten verschwunden. Doch manchmal schließt sich der Nebel unvermittelt. Und dann kann man überhaupt nichts mehr sehen. Ich bin gegen mehr als einen Baum gestolpert, wenn das passiert ist.
    Doch bei anderen Gelegenheiten weichen die Nebel – aus keinem ersichtlichen Grund – plötzlich zurück und lassen einen allein in einem freien Loch innerhalb einer Wolke stehen. Dann kann man den Wind in all seiner bizarren Schönheit sehen. Es ist ein kurzer, atemberaubender Blick auf Niemals-Niemals-Land. Augenblicke wie diese sind selten und kurzlebig. Aber sie bleiben einem.
    Sie bleiben einem.
    In diesen frühen Wochen hatte ich nicht viel Zeit, in den Wäldern spazierenzugehen, außer wenn ich mich einem Such-Team anschloß, um das Gefühl dafür zu bekommen. Meistens war ich mit Schreiben beschäftigt. Ich habe eine Serie über die Geschichte des Planeten gemacht, garniert mit den Geschichten der berühmtesten Erscheinungen. Ich habe Portraits der schillerndsten Teilnehmer der Expedition gemacht. Ich habe eine Arbeit über Sanders und die Probleme, die sich ihm auftaten und die er löste, als er Wolkenschloß baute, beendet. Ich habe wissenschaftliche Artikel über das wenige Bekannte von der Ökologie des Planeten geschrieben. Ich habe einen Stimmungsbericht über die Wälder und die Berge geschrieben. Ich habe einen spekulativen Bericht über die Ruinen geschrieben. Ich habe über Felskatzenjagd geschrieben, über Bergsteigen und über die riesigen und gefährlichen Sumpfeidechsen, die auf manchen abgelegenen Inseln heimisch sind.
    Und ich habe natürlich über Dubowski geschrieben.
    Wie auch immer – schließlich nutzte sich die Suche zu langweiliger Routine ab, und ich begann, die unzähligen anderen Themen zu erschöpfen, die Geisterwelt bot. Mein Ausstoß ließ nach. Ich fing an, Zeit zur Verfügung zu haben.
    Das war der Zeitpunkt, an dem ich wirklich begann, Geisterwelt zu genießen. Ich machte tägliche Spaziergänge durch die Wälder, Spaziergänge, die sich jeden Tag ausdehnten. Ich besuchte die Ruinen und flog einen halben Kontinent weit weg, um die Sumpfeidechsen aus erster Hand statt durch Holo zu sehen. Ich habe mich mit einer Gruppe Jäger angefreundet, die vorbeikam, und
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