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Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit
Autoren: George R. R. Martin
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ich gern äußern würde.“
    Sanders verfiel in ein verstimmtes Schweigen und nahm seinen Schinken mit Ei mit neuer Kraft in Angriff. Dubowski übernahm an seiner Stelle und steuerte die Diskussion über auf die Einzelheiten der Untersuchung, die er plante. Der Rest der Mahlzeit war eine Montage eifrigen Redens über Geisterfallen und Suchpläne und Robot-Sonden und Sensoren. Ich hörte aufmerksam zu und machte in Gedanken Notizen für eine Kolumne über dieses Thema.
    Sanders hörte ebenfalls aufmerksam zu. Aber man konnte von seinem Gesicht ablesen, daß er von dem, was er hörte, überhaupt nicht erfreut war.
    An diesem Tag passierte nicht viel mehr. Dubowski verbrachte seine Zeit am Raumhafen, der auf einem kleinen Plateau unterhalb des Schlosses erbaut war, und überwachte das Ausladen seiner Ausrüstung. Ich habe einen Artikel über seine Expeditionspläne geschrieben und ihn zur Erde gebeamt. Sanders kümmerte sich um seine anderen Gäste und tat, was ein Hoteldirektor sonst noch tut, schätze ich.
    Ich ging bei Sonnenuntergang wieder auf den Balkon hinaus, um die Nebel aufsteigen zu sehen.
    Es war ein Krieg, wie Sanders gesagt hatte. Beim Nebelniedergang hatte ich die Sonne siegreich in der ersten der täglichen Schlachten gesehen. Aber jetzt war der Konflikt erneuert. Als die Temperatur fiel, begannen die Nebel in die Höhen zurückzukriechen. Dünne, grauweiße Ranken stahlen sich still aus den Tälern hoch und schlangen sich wie geisterhafte Finger um die zerklüfteten Berggipfel. Dann wurden die Finger dicker und stärker, und nach einer Weile zogen sich die Nebel empor.
    Einer nach dem anderen wurden die kahlen, windgegeißelten Gipfel für eine weitere Nacht verschluckt. Der Rote Geist, der Riese im Norden, war der letzte Berg, der in dem alles verschlingenden weißen Ozean verschwand. Und dann begannen die Nebel über den Balkonsims hereinzuströmen und auch Wolkenschloß zu umschließen.
    Ich ging wieder hinein. Dort stand Sanders, unmittelbar innerhalb der Türen. Er hatte mich beobachtet.
    „Sie hatten recht“, sagte ich. „Es war schön.“
    Er nickte. „Wissen Sie, ich glaube nicht, daß sich Dubowski bisher die Mühe gemacht hat hinzusehen“, sagte er.
    „Beschäftigt, schätze ich.“
    Sanders seufzte. „Verdammt zu beschäftigt. Kommen Sie. Ich gebe einen Drink aus.“
    Die Hotelbar war still und dunkel, mit einer Art von Stimmung, die ein gutes Gespräch und ernstes Trinken fördert. Je mehr ich von Sanders Schloß sah, um so mehr mochte ich den Mann. Unser Geschmack war in bemerkenswertem Einklang.
    Wir fanden einen Tisch im dunkelsten und abgesondertsten Teil des Raumes und bestellten Drinks aus einem Vorrat, der Alkoholika von einem Dutzend Welten umfaßte. Und wir redeten.
    „Sie scheinen nicht sehr glücklich, Dubowski hier zu haben“, sagte ich, nachdem die Drinks gekommen waren. „Warum nicht? Er füllt Ihr Hotel.“
    Sanders sah von seinem Drink auf und lächelte. „Stimmt. Es ist die schwache Saison. Aber mir gefällt nicht, was er zu tun versucht.“
    „Sie versuchen also, ihn loszuwerden?“
    Sanders Lächeln verschwand. „War ich so durchschaubar?“
    Ich nickte.
    Er seufzte. „Hab nicht gedacht, daß es klappen würde“, sagte er. Er schlürfte nachdenklich an seinem Drink. „Aber ich mußte etwas versuchen.“
    „Warum?“
    „Weil. Weil er diese Welt zerstören wird, wenn ich ihn machen lasse. Sobald sich er und seinesgleichen durchsetzen, wird kein Rätsel des Universums mehr übrigbleiben.“
    „Er versucht nur, ein paar Antworten zu finden. Existieren die Geister? Was ist mit den Ruinen? Wer hat sie gebaut? Wollten Sie diese Dinge nie wissen, Sanders?“
    Er leerte sein Glas, blickte sich um und machte den Kellner auf sich aufmerksam, um noch einen Drink zu bestellen. Keine Robokellner hier drinnen. Nur menschliches Personal. Sanders legte Wert auf Atmosphäre.
    „Natürlich“, sagte er, als er seinen Drink vor sich stehen hatte. „Jeder hat sich diese Fragen gestellt. Deshalb kommen Leute hierher, nach Geisterwelt, zum Wolkenschloß. Jeder Bursche, der hier landet, hofft insgeheim, daß er ein Abenteuer mit den Gespenstern erleben wird und alle Antworten persönlich herausfindet.
    Das tut er aber nicht. Also hält er einen Blaster im Anschlag und wandert für ein paar Tage oder ein paar Wochen in den Nebelwäldern herum und findet nichts. Was dann? Er kann zurückkommen und wieder suchen. Der Traum ist noch da, und die Romantik und das Rätsel.
    Und –
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