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Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)

Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)

Titel: Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
Autoren: Ursula Steen
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einen
fachmännischen Blick auf sein Schuhwerk warf. Da kam heraus, dass ihre beiden
Väter Schuster gewesen waren. Schuster, dieser vom Aussterben bedrohte
Handwerksberuf voller Tradition, den heute kaum noch einer kannte. Da hatten
sie endlich ihr Thema gefunden. Leider konnte Marie nur ein paar Fetzen ihres
Gesprächs aufschnappen, denn die Musik blies ihr buchstäblich die Ohren weg.
Aber im Wesentlichen ging es um ihre gemeinsame Kindheit zwischen Nähmaschine,
Presse und Werkbank.
    „So einen Schund … niemals produziert“, schrie
Rita in Hilmars Ohr, zog ihre rechte Stiefelette aus und ließ sie mit zwei
Fingern vor seiner Nase herumbaumeln. Daraufhin schlüpfte er ebenfalls aus
einem seiner handgearbeiteten Slipper, hob ihn hoch und ließ ihn von ihr
begutachten. Offensichtlich verband die beiden doch mehr, als man zunächst
vermuten konnte. Es war wie im Märchen, fand Marie, wie in einem wunderschön
verkitschten und trotzdem wahren Sozialmärchen.
    Währenddessen zappelte Jonas weiter wie ein
hypernervöses Kind vor ihr herum und rief mit vor Begeisterung bebender Stimme:
„Na los, Marie, du schaffst das! Zeig’s ihnen! Zeig’s mir!“
    Anfangs tat sie nur so, als ob die Sache ihr
Spaß machen würde. Aber nach einer Weile lockerten sich ihre Muskeln
tatsächlich ein wenig, ihr Löwenmut wich der Befangenheit, und die machte
schließlich der Lust an der Bewegung Platz.
    Besonders die langsamen, schwitzigen,
bluesgetränkten Lieder hatten es ihr angetan. Es war einfach ein
Wahnsinnsgefühl, die Arme um Jonas’ Taille zu schlingen, seinen Atem an ihrer
Wange oder in ihren Haaren zu spüren, sich mit halb geschlossenen Augen den
rhythmischen Klängen der Musik hinzugeben, das Hin-und-her-Wiegen mit jeder
Faser des Körpers zu fühlen und sich gleichermaßen davon einlullen wie erregen
zu lassen. Irgendwann konnte sie sich nicht mehr beherrschen, schob ihre Hände
in Jonas’ Gesäßtaschen und spürte bei jeder Bewegung das Spiel seiner Muskeln.
Dann ging sie noch einen Schritt weiter und rieb sich mit wohligem Behagen an
seinem linken Oberschenkel. Man konnte fast sagen: Sie vögelte ihn. Daraufhin
küsste Jonas sanft ihren Nacken und ein wenig intensiver die Stelle zwischen
Hals und Schlüsselbein, in der sich alle ihre Nervenbahnen zusammenbündelten
und zu einer wahren Gefühlstrasse vereinigten. Sie bestand nur noch aus Sinnen
und Empfindungen. Es trug sie förmlich davon ...
    Bis Hilmar ihr mit einem kalten Blick zu
verstehen gab, dass sie sich gehenließ. Danach war der Zauber verflogen. Aber
es war immer noch ein herrliches Gefühl, hier zu sein. Bei der Musik. Bei ihrer
Familie. Bei Jonas.
    Und bei Bulli. Als sie später mit ihm zu tanzen
versuchte, trat sie ihm dermaßen oft auf die Füße, dass er schließlich ein
Stück von ihr abrückte und sie ungläubig ansah. Sie entschuldigte sich bei ihm
und sagte dann: „Mit deiner neuen Freundin hast du aber einen guten Fang gemacht.“
    Statt die Glückwünsche gebührend
entgegenzunehmen, machte er nur einen Schmollmund und sagte: „Du wolltest mich
ja nicht.“
    „Du hast mich nie gefragt, ob ich dich will.“
    „Weil du nie jemanden an dich rangelassen hast,
außer den da, wie heißt er doch gleich?“, sagte er und deutete mit dem Kinn auf
Jonas. „Seit du mit dem zusammen bist, hast du dich verändert. Jetzt tanzt du
auch noch. Wenn man das, was ihr beide gemacht hab, tanzen nennen kann. So was
hätte ich auch gern von dir gehabt, schon immer. Weißt du noch? Die
Frankreich-Klassenfahrt? Da hab ich mir zwei Wochen lang die Zähne an dir
ausgebissen, ohne jeden Erfolg. Das verzeih ich dir nie.“
    „Du hast doch Mathilda.“
    „Ja, aber die geht jetzt zum Studium weg. Dann
bin ich wieder allein. Können wir beide nicht ein Verhältnis miteinander
anfangen? Mich würde es trösten, und du merkst endlich, was du all die Jahre
verpasst hast.“
    „Auf keinen Fall, Bulli. Als Paar wären wir ein
Reinfall.“
    „Aber bestimmt ein netter.“
    „Reinfälle sind niemals nett.“
    „Woher willst du das wissen!?“
    Dann ließen sie das Thema wieder fallen und
konzentrierten sich auf ihre Füße.
    Am Sonntagmorgen blieben Marie und Jonas bis
zehn Uhr im Bett liegen. Danach trafen sie sich mit Sybille und Hilmar in der
Stadt zum Brunchen. Am frühen Nachmittag brachten sie die beiden schließlich
zum Flughafen. Maries Vater hatte sich nach der dritten Bypassoperation zwar in
den Ruhestand begeben, ging aber immer noch einigen gut bezahlten
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