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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht
Autoren: Ann Aguirre
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Krücke nirgendwo entdecken, und er musste schon seit Stunden an diesem Amboss stehen. Die Muskeln und Adern an seinen Armen traten hervor, aber das sagte nicht notwendigerweise etwas über den Zustand seines Knies aus.
    Meine Frage schien ihn nur noch wütender zu machen. Er packte mich und presste mir einen Kuss auf die Lippen, noch bevor ich mich dagegen wehren konnte. » Sag es, Zwei.«
    » Komm mit mir, Pirscher.«
    Endlich lächelte er, und seine wilde, ungezähmte Schönheit verschlug mir beinahe den Atem. » Ich gebe dem Schmied Bescheid und hole meine Sachen.«
    » Dann treffen wir uns bei den Bigwaters, sobald du so weit bist.«
    Als ich zum Haus der Tuttles ging, war meine Stimmung schon ein bisschen weniger düster. Ich wollte Tegan noch einmal umarmen und ihre guten Wünsche mit auf den Weg nehmen. Sie saß gerade mit Doc und dessen Frau beim Abendessen. Als sie mich sah, sprang sie von ihrem Stuhl auf und bot mir einen Teller an, aber ich lehnte ab.
    » Könnten wir kurz unter vier Augen sprechen?«
    Ihre Pflegeeltern sahen großzügig über meine kriegerische Aufmachung hinweg und entschuldigten uns.
    » Ich breche auf«, erklärte ich Tegan auf der Veranda und schilderte, was vorgefallen war.
    » Ich hasse diese Caroline Bigwater«, schnaubte sie mit geballten Fäusten. » Und zwar abgrundtief. Das Gleiche hat sie auch über mich gesagt, weil ich Doc mit seinen Patienten helfe. Kannst du dir das vorstellen?«
    Das überraschte mich nicht. » Ich hoffe, sie macht dir keine Probleme, wenn ich weg bin.«
    Tegan grinste. » Das kann sie gar nicht.«
    Ich neigte verwirrt den Kopf. » Woher willst du das wissen?«
    » Weil ich dann nicht mehr hier sein werde. Unterwegs werdet ihr einen Arzt brauchen, und selbst Mr. Tuttle sagt, dass ich mittlerweile beinahe genauso gut bin wie er.«
    Ich verkniff mir, sie nach ihrem Bein zu fragen. Das Hinken war wesentlich besser geworden. Außerdem hatte sie die Schufterei auf den Feldern problemlos überstanden, also würde sie auch die Reise überstehen. Vielleicht war sie sogar die Stärkste von uns allen.
    Sie lief zurück ins Esszimmer und sagte ohne Vorrede zu den Tuttles: » Ich muss meine Arzttasche packen.«
    » Ist jemand krank geworden?«, fragte Doc.
    Ich überließ Tegan das Reden. Schließlich stand Mr. Tuttle auf und holte eine Ersatztasche mit Nadel, Faden, Verbandszeug, Salben und anderen Dingen, deren Verwendung ich nicht kannte.
    » Bist du dir auch sicher?«, fragte ich und überlegte, ob sie wirklich begriff, welcher Gefahr sie sich aussetzte.
    » Absolut. Du hast mir das Leben gerettet, und das mehr als einmal. Es ist Zeit, dass ich mich revanchiere.«
    » Aber ich dachte, du genießt dein Leben hier.« Seit ich sie kannte, hatte Tegan sich nach Schutz und Sicherheit gesehnt, und es überraschte mich, dass sie das alles nun so einfach aufgeben wollte.
    » Hier ist mein Zuhause«, erwiderte sie, » und ich werde meinen Beitrag leisten, um es zu beschützen. Außerdem schulde ich dir was…« Sie zuckte die Achseln. » Ich muss es einfach tun.«
    Ich war zutiefst beeindruckt und sagte ihr, sie solle zum Haus der Bigwaters kommen, sobald sie bereit war. Dann ging ich los, hüpfte beinahe, so erleichtert war ich. Ich mochte kein normales Mädchen sein, aber ich hatte die besten Freunde, die man nur haben konnte, also musste etwas an mir dran sein. Andernfalls würden sie kaum ihr Leben für mich riskieren. Blieb nur noch eines zu tun.
    Bleich .
    Er war so sehr mit seinen eigenen Wunden beschäftigt, vielleicht war es ihm egal, dass ich ging, aber schon allein aus Respekt vor dem, was zwischen uns gewesen war, musste ich mich von ihm verabschieden. Wie ich erwartet hatte, lag Draufgängers Haus in vollkommener Dunkelheit. Keine Kerzen, keine Laterne. Trotzdem musste Bleich hier sein, denn er blieb nie länger als Edmund in der Werkstatt. Ich nahm all meinen Mut zusammen, ging die kleine Treppe hinauf und klopfte an die Tür. Eine ganze Weile passierte gar nichts, bis ich drinnen endlich Bewegung hörte.
    Bleich zog die Tür einen Spaltbreit auf, sein Gesicht lag im Schatten. » Hast du was vergessen?«
    » Nur das hier…« Ich küsste ihn auf die Wange, und er fuhr zusammen, als hätte ich ihm eine Ohrfeige gegeben.
    Ich hatte nicht geglaubt, dass es so schlimm sein könnte. Nicht einmal ich durfte ihn mehr berühren. Mittlerweile schien er jeden körperlichen Kontakt als Bedrohung aufzufassen. Es war, als würde ihm selbst ein Streicheln Schmerzen
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