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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin
Autoren: Petra Durst-Benning
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und fest geschlafen hast, habe ich mir das stundenlange Gerede des Alten angehört. Nun ja, am Ende war es doch für etwas gut …« Durch und durch zufrieden mit sich, seufzte Sonia genüßlich auf. »Bis in die letzte Kleinigkeit hat mir das alte Schwatzmaul den Überfall geschildert: Wie die Räuber erst dem Mann eins über den Schädel zogen, wie sie sich dann an der armen Frau vergingen und dabei zu spätbemerkten, daß sich die beiden Töchter der Unglücklichen davonschlichen. Erst als sie den Wagen nach Geld und Schmuck durchwühlten, merkten die Mörder, daß außer dem Paar noch jemand darin gehaust hatte.«
    Â»Woher hat der Alte das alles eigentlich so genau gewußt?«
    Â»Das habe ich mich auch gefragt«, antwortete Sonia grimmig. »Wenn er nicht so heruntergekommen gewesen wäre, hätte ich fast gewettet, daß der alte Bock selbst bei dem Überfall dabei war. Aber der hatte doch keinen Kreuzer in der Tasche! Nein, ich vermute, daß die wahren Räuber sich ihm gegenüber im Rausch mit ihren Taten gebrüstet haben. Du kennst doch die Männer!«
    Â»Und die Frau haben sie auch umgebracht?«
    Â»Haben sie, die elendigen Lumpen! Jedenfalls hat der Alte das behauptet. Und du hast doch gehört, wie der Gendarm meine Geschichte bestätigt hat, oder?« Wieder mußte Sonia kichern. Daß just der Hauptmann, der sie auf dem Markt festnehmen wollte, derselbe war, der den Überfall vor den Toren Stuttgarts zu klären gehabt hatte, war in ihren Augen eine gütige Fügung des Schicksals. Wurde doch ihren Worten durch seine Bestätigung erst richtig Gewicht verliehen!
    Eleonore war nicht wohl bei dem Gedanken, das Unglück von armen Menschen für eigene Zwecke ausgenützt zu haben. Sie wurde von tausend Zweifeln geplagt: Was war, wenn ihnen am nächsten Tag abermals Fragen wegen des Überfalls gestellt würden? Was, wenn Sonia diese nicht beantworten konnte? Was, wenn gar die beiden richtigen Töchter der ermordeten Korbmacher erschienen? Vielleicht würde es sich auch die Herrin des Hauses nochmals anders überlegen? Nun, alles Grübeln nutzte nichts, und immerhin saßen sie nicht im Gefängnis, sondern im Stuttgarter Schloß. Froh, wenigstens einen beruhigenden Gedanken zuhaben, ließ Eleonore sich von Sonias tiefen Atemzügen anstecken und fiel endlich selbst in einen traumlosen Schlaf.

3
    I n einem anderen Flügel des Hauses wurde noch jemand von Schlaflosigkeit geplagt. Obwohl es schon später Abend war, spürte Katharina nicht den geringsten Hauch von Müdigkeit. Vor Stunden hatten bereits ihre beiden Buben aus erster Ehe samt Kindermädchen gute Nacht gesagt, auch in den Gemächern um sie herum war es dunkel und still. Nur bei Wilhelm brannte noch Licht, das wußte sie. Für einen Augenblick war sie versucht, durch den langen Gang zu huschen und ihn in seinem Arbeitszimmer zu überraschen, doch sie widerstand und trat statt dessen ans Fenster. Nachdem sie es einen Spalt geöffnet hatte, atmete sie tief die kalte Herbstluft ein.
    Seit König Friedrich, ihr Schwiegervater, ihr das kleine Landhaus Bellevue in einer selten großzügigen Geste zum Geburtstag geschenkt hatte, versuchte sie, soviel Zeit wie nur möglich mit Mann und Kindern dort zu verbringen. Dadurch hatte sich ihr zuvor schon kleiner Hofstaat nochmals verringert: Sparsamkeit wurde in dem reizend gelegenen Anwesen großgeschrieben. Hier, am moosigen Ufer des Neckars, fühlte sie sich immer ein wenig an Zarskoje Selo, Landsitz des russischen Zaren und ihre Geburtsstätte, erinnert. Große Feste oder rauschende Bälle waren mit den wenigen Dutzend Bediensteten natürlich nicht auszurichten, aber Katharina war das recht. Nach ihren langen Arbeitstagen genoß sie die Stille und Intimität ihres Heimes,die sie im Prinzenbau, wo sie die ersten Monate nach ihrer Hochzeit verbracht hatten, nicht hatte finden können.
    Immer nur feiern und festen! Das konnte nur ein Müßiggänger, der den lieben Tag lang nicht viel zu tun hatte! Kopfschüttelnd dachte sie an ihre erste Zeit in Stuttgart zurück, wo ein Fest nach dem anderen für sie ausgerichtet worden war. Dabei wäre sie viel lieber gleich zur Tagesordnung übergegangen, hätte sich mit Land und Leuten vertraut gemacht und gearbeitet, wie sie dies auch an der Seite ihres ersten Mannes, des Prinzen Georg von Oldenburg,
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