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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin
Autoren: Petra Durst-Benning
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Daß Ihr Zeuge eines solchen Schauspiels werden mußtet, ist unentschuldbar und eine Blamage für die Königliche Gendarmerie und die Bürgergarde zu gleichen Teilen!« Noch während seiner tiefen Verbeugung warf er seinen Kameraden einen wütenden Blick zu.
    Mit einer fast unmerklichen Handbewegung forderte Katharina Pawlovna den Amtsmann auf, sich wieder zu erheben.
    Â»Um Himmels willen! So macht kein Drama aus der Angelegenheit! Glaubt Ihr etwa, da, wo ich herkomme, hätte es keine Diebe gegeben? Doch sagt …, war da nicht eine zweite?« Obwohl ihre Worte melodisch klangen, jede Silbe beinahe gesungen wurde, war ihre Schärfe doch nicht zu überhören. Unter ihrem fragenden Blick wurde der Gendarm noch verlegener. Mit hochrotem Kopf wandte er sich an seine Kollegen.
    Â»Worauf wartet ihr noch? Los, los! Sucht das elendige Luder!« Als ihm auffiel, mit seiner Ausdrucksweise einen weiteren Fauxpas begangen zu haben, errötete er erneut.
    Â»Mich braucht niemand zu suchen! Hier bin ich.«
    Fassungslos starrte Eleonore zu ihrer Schwester hinüber. Sonias Flucht mußte sie durch Dornendickicht und Morast geführt haben: Ihr Leibchen war zerrissen, statt mit ihrenSchuhen stand sie barfüßig da und starrte mit großen Augen auf die junge Frau des Thronfolgers. Bevor es einer der Gendarmen verhindern konnte, hatte sie sich in ihrem ganzen jämmerlichen Zustand vor ihr auf den Boden geworfen.
    Â»Verehrte Frau, ich flehe Euch an, habt Mitleid mit mir und meiner Schwester«, brachte sie unter Tränen hervor, bevor sie von zwei Gendarmen grob nach hinten gerissen wurde. »Wir stehlen nicht aus Bosheit, sondern weil ein großes Unglück über uns hereingebrochen ist. Wir …«
    Â»Bist du wohl still, Weib! Weißt du denn nicht, wen du vor dir hast? Die Frau unseres Thronfolgers! Großfürstin Katharina von Rußland, die in ihrer liebenswerten Güte dem Stuttgarter Volk einen Besuch abstattet. Und der solches Gesindel wie du erst gar nicht unter die Augen kommen sollte.« Den letzten Satz sprach er so leise, daß ihn außer Sonia nur noch Eleonore verstehen konnte. Unfähig, selbst auch nur die kleinste Silbe herauszubekommen, sah sie, daß nun auch Sonia beunruhigt umherblickte. Mit einer so hohen Dame zu tun zu haben schien sie für einen Augenblick aus der Fassung zu bringen. Doch dann strömte erneut ein Schwall von Unschuldsbeteuerungen aus ihrem Mund.
    Der Hauptmann, dem daran gelegen war, den Zwischenfall nicht länger als nötig hinauszuziehen, zögerte. Sollte er sich erneut bei der Frau des Erbprinzen entschuldigen oder gleich den Befehl für den Abmarsch ins Gefängnis auf den Hohenasperg geben? Warum mußte die Russin ihn auch in eine solche Verlegenheit bringen? In ihrem Zustand hütete eine Dame normalerweise das Bett oder hielt sich zumindest in ihren Gemächern auf, um in aller Ruhe auf die Niederkunft der nächsten Generation von Adelsbälgern zu warten. Aber nein: Katharina Pawlovna hielt es mit der Volksnähe! Es war ja im Prinzip schön und gut, die neue Frau des Prinzen Wilhelm häufiger zu Gesicht zu bekommen, als dies beiGemahlin Nummer eins der Fall gewesen war. Aber so? Daß niemand auf dem Stuttgarter Schloß versucht hatte, der Russin diesen unsinnigen Ausflug auszureden, verwunderte ihn zusätzlich. Nicht mehr in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, starrte der Gendarm mittlerweile unentwegt auf die Leibesfülle der Schwangeren.
    Mit einem ungeduldigen Kopfschütteln wandte sich Katharina erneut an ihn.
    Â»Bevor Ihr die beiden Frauen abführt, möchte ich hören, von welch schrecklichem Schicksal diese armen Weiber heimgesucht wurden.« Mit eindringlichem Blick schaute sie dem Gendarm ins Gesicht. »Bin ich nicht hier, um mein neues Volk kennenzulernen? Gibt es eine bessere Möglichkeit, als sogleich mit der Schattenseite zu beginnen? Die Sonne kann schließlich jeder Tor genießen.«

2
    S chweigend lagen die beiden Schwestern eng beieinander. Der Raum, in dem ihnen ein Schlaflager zugeteilt worden war, befand sich über dem Küchentrakt von Bellevue, dem Landhaus des Thronfolgerpaares. Durch eine kleine Luke konnte Eleonore den düsteren Nachthimmel sehen, dessen Eintönigkeit nur hie und da von ein paar trüben Sternen unterbrochen wurde. Sie waren nicht allein in der Dachkammer. Um sie herum schnarchten,
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