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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin
Autoren: Petra Durst-Benning
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sie dabei ihre eigene Ware unbeaufsichtigt einem weiterenmöglichen Diebstahl preisgegeben! Sollten doch die Gendarmen die Räuberinnen jagen, statt unentwegt zu prüfen, ob auch jede von ihnen ihren Marktschein dabeihatte!
    Sie liefen bereits durch die letzte Reihe mit Marktständen, als Eleonore sich umblickte und einen Schatten unangenehm nahe an sich herankommen sah.
    Â»Lauf schneller, Sonia! Sie kommen immer näher!« Im nächsten Augenblick schrie sie heulend auf. Mit einem riesigen Satz hatte einer ihrer Verfolger sie eingeholt und an den langen Haaren gepackt, die sich durch das wilde Rennen aus ihrem Zopf gelöst hatten. Ein eiserner Griff hielt sie umklammert, während Sonia ihre Flucht fortsetzte, ohne sich auch nur ein einziges Mal umzudrehen. »Laß mich los, du Mistkerl!« Mit gesenktem Kopf trat sie ihrem Bezwinger in die Wade, woraufhin dieser jedoch nur noch fester zupackte. Ihre Kopfhaut brannte wie Feuer und ließ keinen klaren Gedanken mehr zu. Hilflos stand Eleonore da, während der Rest der königlichen Bediensteten zu ihnen aufschloß.
    Â»Da ist ja das Luder!« Mit feuerrotem Gesicht spie der massige Hauptmann Eleonore die Worte ins Gesicht. Dann wandte er sich an seinen Gehilfen. »Aber wo ist die andere mit dem Geld? Hast du die etwa laufenlassen, du Tölpel?« Viel hätte nicht gefehlt, und er hätte dem Jüngeren eine Ohrfeige verpaßt, statt ihn für seine Schnelligkeit zu loben. Doch schien ihm die Gefahr, daß Eleonore dabei entkommen könnte, zu groß.
    Erst jetzt bemerkte Eleonore, daß es der Rothaarige war, der sie so fest umklammert hielt. »Wie schnell ein Wunsch in Erfüllung gehen kann …«, murmelte sie vor sich hin, um noch im gleichen Augenblick über ihren Galgenhumor zu erschrecken. Hatte nicht auch Columbina bis zu ihrem bösen Ende stets ein lockeres Sprüchlein auf den Lippen gehabt? Doch ehe sie sich in leidvollen Erinnerungenverlieren konnte, spürte Eleonore wieder die unnatürliche Aufregung der Leute, ja, sie wurde geradezu von ihr angesteckt! Wie ein Bienenvolk, das in seinem unermüdlichen Treiben gestört worden war, summte es erregt um sie herum. Daß ihr Diebstahl und die anschließende Festnahme der einzige Grund für diese Aufregung sein sollte, wollte Eleonore aus irgendeinem Grund nicht recht glauben. Und wirklich: Im nächsten Augenblick erschien eine Dame, so edel und vornehm und so hochschwanger, wie Eleonore noch keine gesehen hatte. Sie trug ein einfaches Kleid, doch glaubte Eleonore, die kühlenden Schichten des wasserblauen Musselins auf der eigenen Haut zu spüren. Darunter wölbte sich ein Bauch, dessen Frucht dem Anschein nach nicht mehr lange auf sich warten ließ. Daß eine Dame von solch hohem Rang und in diesem Zustand unter die Leute ging, wäre an und für sich schon ein Skandal gewesen. Doch Eleonore hatte in diesem Augenblick andere Sorgen. Während die Frau schwerfällig, aber mit großer Würde auf sie zutrat, nutzte Eleonore die Gelegenheit, ihre außergewöhnliche Erscheinung unter niedergeschlagenen Augenlidern genauer zu betrachten. Sie war keine Schönheit im üblichen Sinne, dazu standen ihre Augen eine Spur zu nahe beieinander, und ihr Mund war eine Nuance zu klein, um die Sinnlichkeit auszustrahlen, die Männer so anziehend fanden. Auffällig war auch ihre hohe Stirn, die von einer blaugrünen Samtschute noch betont wurde. Bei einem Mann hätte man wohl vornehm von einer »Denkerstirn« gesprochen, bei einer Dame wirkte sie eher befremdlich. Andererseits verlieh sie ihr ein helles, waches Aussehen. Doch was ihr an alltäglicher Schönheit fehlen mochte, wurde durch das Haar wettgemacht: Wie eingeölt hing es glänzend, einem dunkelbraunen, geflochtenen Teppich gleich, über ihren Rücken hinab.
    Die Frau mußte von hohem Rang sein, denn bei ihremAnblick machten alle um sie herum hastig eine Verbeugung oder einen tiefen Knicks. Interessiert und nicht unfreundlich musterte sie Eleonore, die diesem Blick schamvoll auswich.
    Für einen Augenblick schien die Zeit stillzustehen. Alle Anwesenden verharrten wie Figuren in einem Scherenschnitt. Nur die eilig herbeigeholten Gendarmen wanden sich unter den Augen der feinen Dame.
    Â»Verehrte Hoheit«, begann schließlich einer von ihnen, »im Namen der Königlichen Gendarmerie bitte ich Euch alleruntertänigst um Verzeihung.
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