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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen
Autoren: Gene Wolfe
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gewesen war, durch einen geraden Stollen voller Schlamm, wovon in Abständen verbotene Abzugsöffnungen und Türen abgingen. Der Severian, dem ich nachspürte, hatte schlecht passende Schuhe mit abgetretenen Absätzen getragen; wenn ich mich umdrehte und zurückleuchtete, bemerkte ich, daß der Severian, der ihm nachspürte, zwar feinstes Schuhwerk trug, sein Schritt aber von ungleicher Länge war und die Spitze des einen Fußes nachhinkte. Ich dachte, ein Severian hatte gute Schuhe, der andere gute Beine. Und ich lachte insgeheim beim Gedanken, wer wohl dereinst hierher käme und ob er erriete, daß beide Fährten von denselben Füßen stammten.
    Welchem Zweck diese Stollen gedient haben, kann ich nicht sagen. Mehrmals entdeckte ich Treppen, die noch weiter nach unten, aber immer zu dunklem, stillem Wasser führten. Ich fand ein Skelett, dessen Gebeine der rennende Severian mit den Füßen verstreut hatte, aber es war nur ein Skelett, das mir nichts sagte. Zuweilen waren die Mauern beschriftet in ausgebleichtem Orange oder kräftigem Schwarz; allerdings waren mir die Buchstaben völlig fremd und so unverständlich wie die Kotkringel der Ratten in Meister Ultans Bibliothek. Ein paar der Räume, in die ich einen Blick tat, bargen Wände, in denen einst tausend und mehr Uhren verschiedenster Art getickt hatten, und obschon sie nun alle stillstanden, ihr Schlagwerk verstummt war und die Zeiger bei Stunden festgerostet waren, die nie wiederkehren würden, sah ich darin ein gutes Omen für jemand, der das Atrium der Zeit suchte.
    Schließlich fand ich es. Der kleine sonnige Fleck war genauso, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Gewiß war das töricht, aber ich löschte die Lampe und stand, während ich es betrachtete, eine Weile im Dunklen. Alles war still, und der helle, schiefe Hof wirkte mindestens so geheimnisvoll wie beim ersten Mal.
    Ich hatte befürchtet, daß ich Mühe hätte, mich durch den schmalen Spalt zu zwängen, aber wenn der jetzige Severian etwas starkknochiger war, so war er auch dünner, so daß ich, nachdem erst einmal die Schultern draußen waren, spielend in den Hof gelangte.
    Der Schnee, den ich in Erinnerung hatte, fehlte, aber die Kälte, die in die Luft gekrochen war, verkündete, daß er bald wieder da sein würde. Ein paar dürre Blätter, die offenbar irgendein kräftiger Aufwind in diese Höhe getragen hatte, lagen zwischen den welkenden Rosen. Die schrägen Sklalen warfen noch immer ihre tollen Schatten, unnütz wie die stehenden Uhren darunter, wenngleich nicht stillstehend. Die steinernen Tiere betrachteten sie stieren Blicks.
    Ich überquerte den Hof und klopfte an die Tür. Die zaghafte Greisin, die uns bei Tisch bedient hatte, erschien, und ich sagte ihr, als ich in jenes muffige Zimmer trat, worin ich mich aufgewärmt hatte, Valerie zu holen. Sie eilte davon, war aber noch nicht außer Sicht, als etwas in diesem müden Gemäuer erwachte und seine körperlosen Stimmen mit hundert Zungen anhuben und befahlen, daß Valerie sich bei einer altmodisch betitelten Herrschaft einfinde, die ich selbst, wie ich verdutzt erkannte, sein mußte.
     
    Hier soll meine Feder ruhn, Leser, auch wenn ich nicht raste. Ich habe dich von Tor zu Tor geführt – vom verschlossenen, nebelverhangenen Tor unserer Nekropolis zu Nessus zu diesem wolkenverhangenen Tor, genannt Himmel, dem Tor, das mich, wie ich hoffe, zu den fernen Sternen führen wird.
    Hier soll meine Feder ruhn, auch wenn ich nicht raste. Du, Leser, wirst nicht mehr mit mir gehn. Es ist Zeit, daß wir beide wieder unser Leben in Angriff nehmen.
     
    Gez. Severian der Lahme, Autarch, in diesem, wie es heißen wird, letzten Jahr der alten Sonne.
     

 
Anhang
     
Die Waffen der Autarchen und
die Schiffe der Hierodulen
     
    Nirgendwo sind die Manuskripte zum Buch der Neuen Sonne unklarer als in ihrer Darstellung der Waffen und des Militärwesens.
    Die Verwirrung in bezug auf die Ausrüstung der Verbündeten und Feinde Severians beruht offenbar auf zwei Gründen, wovon der erste sein Bestreben ist, alles mit einem eigenen Wort zu benennen, was sich in Form oder Funktion unterscheidet.
    Die zweite Schwierigkeit rührt anscheinend davon her, daß wir es hier mit drei ganz verschiedenen technischen Entwicklungsstufen zu tun haben. Dabei wäre die unterste wohl die Schmiedezeit. Aus ihr gehen die Schwerter, Messer, Äxte und Piken hervor, wie sie jeder gute Handwerker des – sagen wir: fünfzehnten Jahrhunderts hätte herstellen können. Diese Waffen
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