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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen
Autoren: Gene Wolfe
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ich gleich wieder.«
    Ich warf ihm die Münze zu, und er rieb sie blank, biß darauf und reichte sie mir mit respektierlicher Miene zurück.
    »Wir brauchen das Schiff vielleicht den ganzen Tag.«
    »Für den Goldbuben bekommt ihr sie noch die ganze Nacht obendrein. Wir sind beide froh um Gesellschaft, wie der Leichenbestatter zum Gespenst sprach. War einiges los auf dem Fluß bis zum Morgengrauen. Ob das was damit zu tun hat, daß die Herrschaften schon so früh am Wasser unterwegs sind?«
    »Leg ab!« sagte ich. »Kannst uns während der Fahrt erzählen, was das für seltsame Sachen gewesen sind.«
    Obschon er selbst dieses Thema angeschnitten hatte, schien er doch wenig Lust zu haben, auf Einzelheiten zu sprechen zu kommen. Vielleicht hatte er einfach Mühe, die richtigen Wörter für das zu finden, was er empfunden und was er gesehen hatte. Es blies ein leichter Westwind, so daß der Lugger mit dichtgeholten Segeln hübsch Fahrt machte gegen den Strom. Das braune Mädchen hatte wenig zu tun und saß im Bug, wo es mit Eata Blicke tauschte. (Es wäre denkbar, daß es ihn in seiner schmutzigen grauen Kleidung aus Hemd und Hosen lediglich für einen bezahlten Diener von uns hielt.) Der Rudergänger, der sich als Onkel des Mädchens ausgab, hielt das Steuerrad fest im Griff, damit der Lugger nicht aus dem Wind lief.
    »Ich sag’ euch, was ich mit eignen Augen gesehen hab’ – wie der Tischler, als er die Fensterläden auf hatte. Wir waren acht bis neun Meilen nördlich von hier. Hatten Muscheln geladen, müßt ihr wissen, und mit denen kann man nicht anhalten zwischendurch, besonders wenn’s ein warmer Tag werden will. Kaufen sie weiter unten von den Fischern und bringen sie schnell herauf, damit sie gegessen werden, bevor sie schlecht sind. Wenn sie schlecht werden, ist alles im Eimer, aber man verdient doppelt und dreifach, wenn man sie gut verkaufen kann.
    Ich habe mehr Nächte meines Lebens auf dem Fluß verbracht als sonstwo – ist meine Schlafkammer, könnte man sagen, und dieses Schiff meine Wiege, obwohl ich normalerweise erst in der Früh’ in die Koje komme. Aber in dieser Nacht – manchmal dacht’ ich, ich wär’ gar nicht auf dem guten alten Gyoll, sondern auf ’nem andern Fluß, einem, der in den Himmel fließt oder in den Erdboden rein.
    Wird euch zwar nicht aufgefallen sein, wenn ihr nicht noch spät aufgewesen seid, aber es war ’ne ruhige Nacht mit wenig Wind, schwachen Böen, die anhielten, solange ein Mann zum Fluchen braucht, und sich legten und wieder auffrischten. Und es herrschte Nebel, ’ne dichte Brühe. Hing über dem Wasser, wie er’s immer tut, der Nebel, mit so viel Freiraum, daß ein Fäßchen dazwischen geht. Meistens konnte man die Lichter an den Ufern nicht sehen, nur den Nebel. Früher hatte ich ein Horn, das ich blies für diejenigen, die unsre Laternen nicht sehen könnten, aber es ging letztes Jahr über Bord und sank, weil’s aus Kupfer war. Also rief ich in die Nacht hinein, wenn ich dachte, ein andres Schiff oder sonst was sei in der Nähe.
    Eine Wache nach dem Aufkommen des Nebels ließ ich Maxellindis schlafen gehn. Beide Segel waren gesetzt, und bei jeder Brise trug’s uns ein Stück stromaufwärts, wo ich dann wieder den Anker setzte. Ihr wißt es vielleicht nicht, aber auf dem Fluß gilt die Regel, daß diejenigen, die gegen den Strom fahren, sich an den Seiten halten, und diejenigen mit dem Strom in der Mitte. Wir fuhren stromaufwärts und hätten am Ostufer sein sollen, aber wegen dem Nebel wußte ich’s nicht genau.
    Dann hörte ich Ruderschläge. Ich starrte in den Nebel, sah aber keine Lichter, und ich brüllte, damit sie abdrehten. Ich beugte mich übers Schandeck und hielt mein Ohr dicht übers Wasser, um besser zu hören. Der Nebel verschluckt Geräusche, aber am allerbesten überhaupt hört man dann, wenn man den Kopf darunterhalten kann, denn das Geräusch pflanzt sich auf dem Wasser fort. Jedenfalls hab’ ich das gemacht. War ein großes Schiff. Man kann nicht zählen, wie viele Riemen es sind bei einer guten Mannschaft, weil sie alle gleichzeitig eintauchen und rauskommen, aber wenn ein großes Schiff schnelle Fahrt macht, hört man, wie sich das Wasser unter dem Bug bricht, und das ist ein großes gewesen. Ich stieg aufs Deckhaus, um zu schauen, aber noch sah ich keine Lichter, obwohl ich wußte, es müßte schon ziemlich nahe sein.
    Als ich gerade wieder herunterkletterte, sichtete ich sie – eine Galeere, Viermaster mit vier Ruderreihen,
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