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Die Zerbrochene Kette - 6

Die Zerbrochene Kette - 6

Titel: Die Zerbrochene Kette - 6
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Mitleid.
Melora hatte jedoch keine Wahl. Ihre Tochter ebensowenig. Sachlich dachte sie, daß es für Melora wahrscheinlich zu spät sei. Nach zehn Jahren in den Trockenstädten konnte nicht mehr viel von ihr übrig sein. Aber offenbar war noch genug von dem übrig, was sie gewesen war, um sie zu einer ungeheuerlichen Anstrengung zur Rettung ihrer Tochter anzuspornen.
Lady Rohana hat gut daran getan, zu mir zu kommen. Nach so vielen Jahren haben ihre Comyn-Verwandten zweifellos gewünscht, Melora sei tot, und den Gedanken an ihre Versklavung, die für sie ein Vorwurf war, verdrängt. Das ist letzten Endes der Grund, warum es die Freien Amazonen gibt. Jede Frau weiß zumindest, daß es eine Alternative für sie gibt… Wenn sie die den Frauen auf Darkover auferlegten Einschränkungen akzeptieren, tun sie es aus eigener Wahl und nicht, weil sie sich nichts anderes vorzustellen vermögen.
Kindra wollte gerade das Zelt verlassen, ans Feuer zurückkehren und selbst auch essen, als sie einen leisen, seltsamen Laut vernahm: das Pfeifen eines Regenvogels, der sich hier in den Trockenstädten niemals hören ließ. Alarmiert fuhr sie herum und sah die kleine, schmächtige Gestalt, die sich unter der rückwärtigen Zeltklappe durchwand. Es war sehr dunkel, aber sie wußte, wer das war. »Nira?« flüsterte sie.
»Falls du nicht glaubst, ein Regenvogel sei verrückt geworden und hierhergeflogen, um zu sterben.« Nira stellte sich auf die Füße.
Kindra sagte: »Schnell, zieh diese Sachen aus. Eine Frau mehr am Feuer wird niemand bemerken, während du in Männerkleidung eine zweite Menschenmenge anlocken würdest. Davon hatten wir schon genug, als wir abluden.«
»Hab’ ich gehört«, meinte Nira trocken, und schlüpfte aus ihren Stiefeln. Sie faltete ihre Verkleidung zusammen und zog die anderen Sachen an.
»Hast du Probleme gehabt?« erkundigte Kindra sich flüsternd. »Gibt es Neuigkeiten, Kind?«
»Keine Probleme; man hat in mir nichts anderes gesehen als den Lehrling irgendeines Händlers aus den Bergen, einen noch bartlosen Jungen vor dem Stimmbruch. An Neuigkeiten habe ich nur den Klatsch auf dem Marktplatz und etwas von dem, was die Diener vor Jalaks Tür geredet haben. Die ›Stimme‹ Jalaks, ein Mann, der das Große Haus beaufsichtigt, wenn der Lord verreist ist, hat die Nachricht erhalten, Jalak, seine Frauen und Konkubinen und sein ganzer Haushalt kämen vor morgen mittag zurück. Eine der Sklavinnen erzählte mir, sie kämen nur deshalb nicht schon heute abend, weil seine Lady hochschwanger sei. Irgendeine alte Hebamme behauptet, aus der Art, wie Lady Melora ihr Kind trage, tief und breit, erkenne sie, daß es ein Junge ist, und solange Jalak darauf hofft, wird er nichts tun, was sie in Gefahr bringen könnte…«
Kindras Gesicht verzog sich vor Abscheu. »Also la gert Jalak in der Wüste? Wie weit von hier entfernt?«
Nira zuckte die Schultern. »Nicht mehr als ein paar Meilen, wie ich gehört habe. Vielleicht hätten wir einen Angriff auf seine Zelte durchführen sollen…«
Kindra schüttelte den Kopf. »Wahnsinn. Hast du es vergessen? Die Trockenstädter sind paranoid; ihr Leben besteht aus Fehden und Kämpfen. Glaub mir, unterwegs wird Jalak so bewacht sein, daß drei Abteilungen der Garde von Thendara nicht an ihn herankommen könnten. In seinem eigenen Haus mag er ein bißchen sorgloser sein. In keinem Fall dürfen wir einen offenen Angriff wagen. Wir müssen schnell zuschlagen, einen oder zwei Wachposten töten und höllisch schnell davonreiten. Sonst haben wir keine Chance.«
»Das stimmt.« Nira trug wieder ihre eigenen Sachen, und sie wollten schon das Zelt verlassen, als Nira die Hand auf Kindras Arm legte und sie zurückhielt. »Warum müssen wir Lady Rohana mitnehmen? Sie reitet erbärmlich, sie wird uns in einem Kampf überhaupt nichts nützen.«
»Lady Melora muß benachrichtigt werden«, erwiderte Kindra, »daß sie sich bereithält, jeden Augenblick mit uns die Stadt zu verlassen. Die geringste Verzögerung könnte uns alle verderben. Lady Rohana ist imstande, ihre Gedanken zu erreichen, ohne Jalak zu warnen oder seinen Argwohn zu erwecken, wie es auch die allervorsichtigste Botschaft täte.« In der Dunkelheit des Zelts grinste Kindra schief. »Außerdem, wer unter euch möchte die Aufgabe übernehmen, auf der Rückreise für eine schwangere Frau zu sorgen? Daran fände keine von uns viel Geschmack – und hätte auch kein Geschick, sollte die Dame Pflege brauchen. Oder möchtest du es
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