Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle
Autoren: D.G. Compton
Vom Netzwerk:
Natürlich waren seine Briefe nur von trügerischer Treuherzigkeit. Je süßer der Inhalt, desto tückischer war die Absicht, die dahinterstand. Je freundlicher Manny Littlejohn sich gab, um so gefährlicher wurde er. David Silberstein mußte nicht erst in seinem Handbuch nachlesen, was jetzt zu tun war. Seufzend massierte er seine Finger und speiste dann eine Botschaft in den zentralen Autosekretär von Penheniot ein:
    Der Projektleiter ist in den nächsten beiden Stunden nicht zu sprechen. Wenn etwas Dringendes vorliegt, ist er irgendwo auf der Tour 4a zu erreichen.
    Sein Weg führte ihn zuerst zur Polizeistation. Obwohl es noch sehr früh am Tag war, verströmten doch die Kletterrosen über der Tür bereits ihren betäubenden Duft und summten die Bienen im Lavendel unter den Fenstersimsen. Ein Reiher fischte sich im Wasser vor der Mole sein Frühstück. Es war ein herrlicher Sommermorgen, der einen heißen, windstillen Tag versprach.
    »Sergeant Cole!«
    Sofort tauchte ein pausbäckiger, gesund aussehender Dorf-Bobby im Türrahmen auf. Doch seine Augen waren so hart und grau wie Handschellen. Er nahm Haltung an.
    »Sir! Herrlicher Morgen, Sir!«
    »Falsch, Sergeant. Es ist ein Morgen, an dem Gefahren am Horizont lauern.«
    Sergeant Cole vollzog im Geist die notwendige Kehrtwendung.
    »Hört sich an wie Operation 4a im Handbuch, Sir.«
    »Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Doch frischen Sie mal mein Gedächtnis ein bißchen auf.«
    »Eine Gruppe von Leuten am Bahnhof von St. Kinnow, Sir. Vier Stunden Dienst, vier Stunden frei. Ein weiterer Trupp am Kai der Stadt. Als Reserve und Abdichtung, Sir. Ständige Fernsehbeobachtung der Flußmündung. Ein Überraschungsbesuch ist vollkommen ausgeschlossen, Sir.«
    Der Projektleiter starrte taktvoll in die Weite, auf die bewaldeten Hügel hinter dem Polizeirevier.
    »Falls man die Leute zur Rede stellt, Sergeant, was werden sie antworten?«
    »Sie besuchen die Regatta, Sir.«
    »Regatta, Sergeant? Am Bahnhof eine Regatta?«
    »Vom Bahnsteig aus kann man die Startlinie einsehen, Sir.«
    David Silberstein betrachtete jetzt eine vorüberziehende Wolke.
    »Ich habe Ihnen Unrecht getan, Sergeant. Es tut mir leid.«
    »Sie können sich auf mich verlassen. Für alles ist gesorgt, Sir.«
    »Natürlich, Sergeant. Machen Sie weiter, Sergeant.«
    Er wendete sich ab. Er wünschte sich nur, daß alle Stationen der Tour 4a so einfach sein würden wie diese. Ein paar Schritte weiter drehte er sich wieder um. »Es findet doch wirklich eine Regatta statt, oder?«
    »Erlauben Sie, Sir, die Frage ist etwas taktlos«, erwiderte der Sergeant beleidigt.
    David Silberstein entschuldigte sich noch einmal und ging weiter.
    Im Bäckerladen, der das Einkaufszentrum tarnte, legte Joseph die frischgebackenen Brote in die Regale. David wurde durch den Geruch des Brotes etwas aufgemuntert. Dieser Duft war für ihn die Garantie fester, solider Verhältnisse. Er stellte Kontinuität dar, eine Vergangenheit, die sacht durch die Gegenwart in eine vorhersehbare Zukunft floß. Das war natürlich Unsinn. Wenn er daran glaubte, war er hier im Dorf fehl am Platz. Der Gründer hatte recht: Der Sonnenschein, die Pflastersteine, die Perfektion jedes einzelnen Grashalms gehörten nur alle zu dem gleichen tödlichen Täuschungsmanöver. Etwas anderes zu glauben war töricht, Ketzerei.
    »Guten Morgen, Joseph.«
    »Ein wunderschöner Morgen, Projektleiter. Ein Morgen, der Labsal für die Seele ist.«
    »In der Tat, Joseph, es ist ein wunderschöner Morgen.«
    David war auf der Hut. Josephs Freude hatte etwas Unheimliches an sich.
    »Haben Sie die Zeitung schon gelesen, Projektleiter?«
    »Nein, Joseph.« David wußte jetzt, daß er recht gehabt hatte.
    Der Bäcker stäubte das Mehl von seinen Händen und griff dann in die Tasche seines Arbeitskittels. Er zog die Times hervor, die zu einem Rechteck zusammengefaltet und mit einem roten Kreis um eine Notiz herum versehen war. Er las laut vor und lachte dabei, daß er kaum sprechen konnte:
    »In weiten Bereichen des indischen Subkontinents gingen drei Tage lang wolkenbruchartige Regengüsse nieder, obwohl dort normalerweise jetzt eine Trockenzeit herrschen müßte, die mindestens noch sechs Wochen dauert. Der Regen enthält Chemikalien, die zwar für Menschen ungefährlich sind, sich aber schädlich auf Kleinlebewesen …«
    »Ich habe gestern abend eine Reportage im Fernsehen gesehen, Joseph. Ein ähnlicher Regen ging im letzten Monat über China nieder. Ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher