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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle
Autoren: D.G. Compton
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aufsichtführende Ingenieur zu versichern. »Ich höre, daß er außerordentlich sanftmütig sein soll.«
    »Hat man sich über ihn erkundigt?«
    »Die Polizei in St. Kinnow meldete, daß nichts Nachteiliges über ihn bekannt sei.«
    »Aha.« Manny Littlejohn fuhr mit dem Zeigefinger am Rand des Küchentisches entlang und betrachtete ihn, ohne daß die Übelkeit ihn übermannte. »Sie vergeuden meine Zeit. Wir bauen ein Dorf wieder auf, und deshalb brauchen wir auch einen Dorftrottel. Er kommt auf die Lohnliste.« Er nickte anerkennend, als er sich noch einmal in der Küche umsah. »Vielleicht kann er in seiner Freizeit ein bißchen bei den Reparaturarbeiten helfen.«
    Nach dem ursprünglichen Bauplan sollte Roses’ Küche – und noch eine Menge anderer Baulichkeiten – Platz für das neue Labor schaffen. Deshalb mußte man ein geeignetes Quartier für Roses an anderer Stelle finden. Offensichtlich waren die Norm-Unterkünfte – vorgefertigte Plastik-Raumeinheiten, die sich paßgerecht in die Steinschalen der cornwallschen Häuser einfügen ließen – für Roses ungeeignet. Roses brauchte etwas, das seinen besonderen Bedürfnissen entsprach. Schon bei der flüchtigsten Sozialstudie zeigte sich, daß er nirgends so glücklich sein würde als in seiner eigenen erbärmlichen Küche. Deshalb änderte der verantwortliche Ingenieur eigenmächtig die Pläne und setzte den Boden des Laboratoriums fünf Fuß und neun Zoll über dem ursprünglichen Niveau ein, so daß die Küche darunter Platz fand. Sie nahm jetzt eine kleine Ecke in einem Lagerraum ein, in dem Wein und andere alkoholische Getränke untergebracht werden sollten. Der Ingenieur hatte nämlich plötzlich entdeckt, daß Lagerräume für diese wichtigen Konsumgüter auf dem ursprünglichen Bauplan gar nicht vorgesehen waren.
    So würde der Eingriff in Roses’ Leben so schonend wie möglich vorgenommen, und Roses spielte dafür die Rolle des Dorftrottels in meisterhafter Vollendung.
    An dem Tage, mit dem dieser Teil der Geschichte beginnt, war das Forschungsprogramm des Dorfes bereits mehr als zwei Jahre alt. In den letzten acht Monaten hat der Projektleiter einen entscheidenden Durchbruch prophezeit, der »jeden Tag« erwartet werden konnte.
    Kein Wunder, daß Manny Littlejohn in seinem Büro in Mayfair ungeduldig wurde. Die Aktennotizen, die er dem Projektleiter zukommen ließ, wurden immer stacheliger.
    Der Autosekretär hatte einen Brief von ihm gebracht, der ungeöffnet auf dem Schreibtisch des Projektleiters lag, weil der Magnetcode ihn als privat und vertraulich auswies. Langsam schälte der Projektleiter den Klebestreifen vom Kuvert und bereitete sich moralisch auf den Inhalt vor. Der Gründer war natürlich ein Mann, der Wunder erwartete. Alle Gründer sind von Natur aus unvernünftige Leute, die Wunder erwarten. Selbst die Amerikaner hatten mit ihrem Riesengeldaufwand Jahre gebraucht, bis sie ihre lächerliche Raumkapsel endlich zum Mond hinaufschießen konnten. Zwei Jahre waren gar nichts für so ein kompliziertes Projekt, das unter der Bezeichnung P.E.R.V. lief. Im Grunde war Manny Littlejohn gar nicht an den wissenschaftlichen Ergebnissen interessiert, sondern nur an seiner Haut und wie er sie retten konnte.
    David Silberstein schob den Brief in den Dechiffrier-Apparat und las das Band ab, das sich abspulte:
    ML an DS/P & C. 739
    Lieber David,
    habe Ihre Kostenaufstellung erhalten und genehmigt. Das Geld ist bereits angewiesen. Die siebentausend Mehrausgabe im Vergleich zu letzter Woche mit Interesse registriert. Füttern Sie Ihre Leute mit Kaviar, David? (Ich befahl dem Autosekretär, diesen letzten Satz zu streichen; aber irgend ein Rädchen muß bei ihm versagt haben. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, nur liebe, nette Zeilen zu schreiben. Vergeben Sie mir, alter Freund.)
    Die Geschäfte gehen schlecht (und bei Ihnen?); deshalb will ich mir ein paar Tage freinehmen, um die Pechsträhne zu zerreißen. Vielleicht komme ich bei Ihnen vorbei. Warum ich Ihnen das verrate, weiß ich selbst nicht. Aber versprechen Sie mir bitte, daß Sie nichts Besonderes für mich auf die Beine bringen. Daddy Littlejohn will seine Kinder so erleben, wie sie wirklich sind. Bis dahin seien Sie brav und machen Sie es gut.
    Ihr alter Freund
    Manny.
    Der Projektleiter sah zu, wie sich das Band selbst zerstörte und die Asche in den Papierkorb fiel. Das war auch eines von den Hobbys des Gründers, daß er jeden seiner Briefe in den Rang eines Staatsgeheimnisses erhob.
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