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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
Autoren: Tullio Avoledo
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Pater, wie lautet Ihre Antwort? Sind Sie bereit, sich auf den Weg nach Venedig zu machen?«
    »Wie könnte ich ablehnen? Sie sind mein Vorgesetzter.«
    »Dies sind schwere Zeiten. Glaube und Disziplin genügen manchmal nicht.«
    Albani hebt und senkt die Schultern.
    »Für mich sind sie ausreichend.«
    Der dicke Kardinal seufzt erleichtert.
    »Bevor Sie aufbrechen, möchte ich Ihnen etwas zeigen.«
    Er wartet keine Antwort ab, steht auf und bedeutet mir, ihm zu folgen.
    Er zieht einen anderen Vorhang beiseite, der von der Decke bis zum Boden reicht, und geht durch einen dunklen, schmalen Korridor.
    Der Raum, den wir kurze Zeit später betreten, ist noch viel größer als das Arbeitszimmer des Kardinals. Das Licht von drei Kerzenleuchtern mit jeweils sechs Armen erhellt ihn bis hinauf zur Decke, die von zwei prächtigen Marmorsäulen gestützt wird. In diesem Raum bin ich schon einmal gewesen, vor so langer Zeit, dass es ein anderes Leben gewesen zu sein scheint.
    »Dies ist die Krypta der Päpste«, sagt Albani leise und deutet auf die Grabnischen in den Wänden. »Hier sind neun Päpste des dritten Jahrhunderts bestattet, fast alles Märtyrer.«
    Er nennt die Namen auf den Gedenktafeln: »Pontianus, Anterus, Fabianus, Lucius I., Eutychianus, Sixtus II. … Außerdem ruhen hier auch Stephan I., Dionysius und Felix, aber ihre Grabplatten wurden nie gefunden. Sie sind hier ebenfalls beigesetzt worden, in diesen Gemäuern. Einst nannte man die Krypta den ›kleinen Vatikan‹. Während der Zeit des Leids waren es vielleicht diese Reliquien, die uns hierher brachten, die uns anzogen wie ein Licht in der Dunkelheit. Es ist der heiligste Ort, der uns geblieben ist.«
    Oft sind mir ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen, wenn ich mich gefragt habe, was mich veranlasste, ausgerechnet hier Zuflucht zu suchen, in der Calixtus-Katakombe. Ich habe sie vor der Katastrophe besucht und bin sehr davon beeindruckt gewesen. Ich hatte beschlossen, im Winter hierherzukommen, um den Touristenmassen zu entgehen, und ich erinnere mich an die erhabene Stille, die hier unten herrschte, in diesem riesigen unterirdischen Labyrinth: fast zwanzig Kilometer Gänge und Räume, manchmal in vier Etagen. Eine halbe Million Christen waren hier beerdigt, erzählte der Fremdenführer bei jener Gelegenheit. Nur eine Zahl, aber sie machte mich sprachlos. Heute staune ich erneut, darüber, dass dieser Ort, dieser gewaltige Friedhof, zu einem Refugium für das Leben geworden ist.
    »Möchten Sie mit mir zusammen beten?«, fragt der Kardinal. Ohne meine Antwort abzuwarten, kniet er sich auf dem nackten Boden hin. Nach kurzem Zögern folge ich seinem Beispiel.
    Albani faltet die Hände und neigt den Kopf.
    »O Herr, der Du uns am Tag des Leids in Deiner unendlichen Weisheit eine schwere Last auf die Schultern gelegt hast, bitte lass die Bürde nicht zu schwer für uns werden, auf dass wir sie bis zum Schluss tragen können. Hilf unserem Bruder John und den Männern, die ihn bei seiner heiligen Mission begleiten werden. Zeige ihnen den Weg, und sei ein Licht für sie in der Finsternis, die sie durchqueren müssen. Möge Deine Kraft in ihren Beinen und Armen sein. Möge Dein Geist ihr Herz stärken, damit nichts und niemand sie aufhält. Beschütze sie vor dem Dämon des Mittags und den Schrecken der Nacht. Bring sie heil und gesund zu uns zurück.«
    »Amen«, sage ich und mache das Zeichen des Kreuzes.
    »Bitte helfen Sie mir aufzustehen.« Der Kardinal lächelt.
    Ich halte seinen Ellenbogen und helfe ihm dabei, seine Körperfülle in die Höhe zu stemmen.
    »Sehen Sie? Es fällt mir schwer, mit meinem eigenen Gewicht fertigzuwerden. Außerdem muss ich das der Kirche auf den Schultern tragen. Ich brauche die Hilfe von jemandem, der stärker und jünger ist als ich.«
    Ich könnte darauf hinweisen, dass die katholische Kirche von heute nicht mehr die von früher ist. Es handelt sich nicht mehr um eine universale Entität. Oder vielleicht doch? Eigentlich beschränkt sich unser Universum auf das, was wir sehen, und es ist so groß, so weit unsere Schritte reichen. Die katholische Kirche beschränkt sich auf diese Katakomben.
    Albani scheint meine Gedanken zu lesen, legt mir die Hand auf den Arm und sieht mir in die Augen. »Lassen Sie sich nicht vom äußeren Anschein täuschen. Glauben Sie nicht, die Kirche sei nur dies hier. Wie Sie wissen, kommt das Wort katholisch aus dem Griechischen und bedeutet ›das Ganze betreffend‹. Das ist unsere Mission, der
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