Die Wundärztin
ein. Männer und Frauen aus dem Tross begleiteten sie.
»Rupprecht, endlich!« Der Mann wirkte erleichtert, als er die Apotheke erreichte. »Mein Junge braucht dringend Hilfe. Sind Meister Johann oder Magdalena da?« Ohne die Antwort abzuwarten, schob er den Gehilfen beiseite und stürmte in die Offizin, die anderen hinterher.
»Spricht nicht eben für deinen Ruf, dass sie erst nach dem Meister und meiner Cousine fragen.« Elsbeth schüttelte den Kopf, weil Rupprecht sich dennoch anschickte, ebenfalls in die Apotheke zu gehen. »Was willst du da? Wenn sie deinen Rat nicht suchen, kannst du ebenso gut mit mir kommen. Ich wüsste einen besseren Zeitvertreib für dich, als den anderen die Salbentiegel zu halten.«
»Lass!« Ungehalten ging er hinein. Weil sie ihn ungern für diesen Abend aus den Augen verlor, folgte sie ihm.
Drinnen empfing sie wildes Stimmengewirr. Dank ihrer Größe konnte sie über die Köpfe der anderen hinwegsehen. Wie erwartet erspähte sie Magdalenas zierliche Gestalt vorn am Tresen. Der Mann hatte sein Kind darauf gebettet. Die Frau, offensichtlich die Mutter, stand dicht daneben und sah unruhig zwischen Magdalena und dem Kind hin und her. Angst, allerdings auch vorsichtige Zuversicht, endlich Hilfe zu finden, spiegelten sich auf ihrem Gesicht wider. Besorgt beugte sich Magdalena über das Kind. Sein Schreien war mittlerweile in ein klägliches Wimmern übergegangen. An der gekrümmten Haltung des schmächtigen Körpers waren die Schmerzen deutlich abzulesen.
Als Elsbeth sich nach vorn drängte, entdeckte sie auch die Ursache der Qual: Der rechte Arm des Kindes war völlig verbrannt. Am Unterarm warfen sich große Blasen, teilweise hing die Haut schon in Fetzen und gab das nackte, wunde Fleisch preis. Entsetzt wandte Elsbeth sich ab. Dabei traf sich ihr Blick mit dem Rupprechts, der neben Magdalena stand. Ein Ruck ging durch seinen Körper, als er Elsbeths Aufmerksamkeit gewahr wurde.
»Wärm mir je einen Krug Wein und Olivenöl und bring mir von hinten rechts im Regal die Hanfessenz, die ich heute Mittag frisch angerührt habe.« Magdalena erteilte Rupprecht ruhig, aber bestimmt ihre Anweisungen. Er jedoch runzelte die Stirn und machte keine Anstalten, ihrer Bitte zu entsprechen. Stattdessen sagte er: »Wir sollten den verbrannten Arm nahe gegen das Feuer halten und Salz hineinstreuen. Auch in Honigwasser genetzte Leintücher, die man über die Wunde legt, ziehen die Hitze heraus.«
Überrascht sah Elsbeth ihn an. Er widersprach doch nicht etwa ihretwegen seiner geliebten Magdalena? Bislang schien es ihn nie gestört zu haben, wie selbstverständlich die Cousine davon ausging, dass er sich ihr unterordnete.
»So?« Auch Magdalena war erstaunt. Nicht eben überzeugt von seinem Vorschlag, sah sie ihn an. Behutsam streichelte sie unterdessen dem wimmernden Kind über den Kopf. »Mag sein, dass deine Methoden einem erwachsenen Patienten gut anstehen, Rupprecht. Dies hier aber ist ein kleines Kind, das unerträgliche Qualen erleidet. Die Hanfessenz beruhigt es, so dass ich die Wunde mit dem Wein auswaschen und säubern kann, um sie anschließend mit warmen Olivenölumschlägen zu bedecken. Das fördert die Heilung und verhindert wulstige Narben. Meister Johann würde es nicht anders machen. Also tu endlich, worum ich dich bitte, bevor das Kind hier noch unnötig lange leidet.«
Rupprecht erblasste. Offenbar wurde ihm gerade bewusst, dass er seiner geliebten Magdalena vor zahlreichen Zuhörern in den Rücken gefallen war. Nichts wollte er weniger, als ihr zu schaden, trotz allen Bemühens, gleichzeitig vor Elsbeth gut dazustehen. Ob des Zwistes zwischen den beiden Feldschergehilfen hatten die Umstehenden zu reden aufgehört. Einzig das Weinen des Kindes durchbrach das Schweigen. Als Erste fasste sich die Mutter des kleinen Patienten: »Die rote Magdalena soll tun, was sie für richtig hält. Sie hat viel von dem Meister und der alten Roswitha gelernt. Ich vertraue ihr. Macht endlich, damit mein Kind nicht mehr leidet!«
Rupprecht warf einen fragenden Blick auf den Vater. Dessen Entscheidung sollte den Ausschlag geben. Auch die Frau und Magdalena sahen den Söldner erwartungsvoll an. Das behagte ihm ganz und gar nicht. Scheu sah er von seiner Frau zu Magdalena, dann zu den Umstehenden, bevor er sich endlich Rupprecht zuwandte und leise bat: »Bitte holt den Wein und das Öl.«
Das Ausatmen der Leute in dem engen Raum schien wie aus einer Kehle zu folgen. Elsbeth musste an sich halten. Wie
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