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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin
Autoren: Heidi Rehn
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sie sich ab, tätschelte Magdalena die Wange und wackelte ohne weiteren Gruß davon. Meister Johann folgte ihr. Als sich die Tür hinter ihnen schloss, hörte man, wie sie draußen im Weggehen ein angeregtes Gespräch begannen. Wie gern wäre Magdalena ihnen gefolgt! Das Gesicht der Mutter aber ließ es ihr angeraten sein, vorerst zu bleiben. Hagen Seume nutzte die Gelegenheit, sich ebenfalls wortreich zu verabschieden. Dabei warf er Magdalena noch einen zweideutigen Blick zu und stolzierte hocherhobenen Hauptes hinaus.
    »Ja, also«, sagte der Vater zögerlich und machte Anstalten, ebenfalls das Weite zu suchen. Babette allerdings ließ ihm das nicht durchgehen. »Willst du nicht endlich deiner Tochter sagen, was sich gehört? Oder muss ich wieder alles allein …«
    »Reg dicht nicht auf. Das schadet nur dir und dem Kleinen«, sagte der Vater und beugte sich vor, um Fritzchen über das Köpfchen zu streicheln. Das besänftigte die Mutter. Unwillkürlich versetzte sie Elsbeth einen Stups mit dem Ellbogen und schob sie zur Seite. Beleidigt erhob sich die Cousine. Offensichtlich war sie enttäuscht, dass Magdalena ohne die gewünschte Schelte davonkam. Ihnen beiden blieb nichts anderes, als Seite an Seite abzuwarten, bis Babette die vorübergehende Eintracht mit Vater und Sohn wieder löste.
    Der Kleine lag mit rosigen Wangen an Babettes üppiger Brust. Zwischen all den Kissen und Decken, die sich weiterhin um ihn türmten, war er kaum zu sehen. Friedlich schlummerte er, während Babette ihn lächelnd betrachtete und der Vater ihn sanft liebkoste. In ihren Augen lag so viel Glück, dass es Elsbeth einen tiefen Stich versetzte. Mit solch einer Liebe war sie noch nie bedacht worden. Wie viel besser mochte das sein als alle hitzigen, rasch verfliegenden Wonnen mit ungestümen Burschen im Heu! In diesem Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher, als ein eigenes Kind in Armen zu halten. Das würde ihr endlich die Wärme schenken, die sie bislang vergeblich gesucht hatte. Schon spukte ihr eine Idee durch den Kopf, wie sich dieser Wunsch rasch erfüllen ließe.
    Auch Magdalena fühlte sich ausgeschlossen aus der familiären Vertrautheit. Das wollte sie Babette jedoch nicht zeigen. Leise drehte sie sich um und schlich zur Tür. Kaum hatte sie die erreicht, da hörte sie die Mutter rufen: »Nicht so eilig, mein Fräulein! Dein feiner Zimmermann kann ruhig noch ein bisschen warten. Wird ohnehin Zeit, dass er seinem Meister zur Hand geht, statt bei dir zu liegen.«
    Boshaft lachte sie, während Magdalena die Wangen zu glühen begannen. Kaum wagte sie, den Vater anzusehen.
    »Welcher Zimmermann?«, fragte er tonlos, um gleich, als er Babettes triumphierende Miene sah, nachzusetzen: »Doch nicht etwa …?«
    »Genau der!«, fiel Babette ihm ins Wort. »Das hättest du nicht gedacht, dass dein Augenstern mit dem Sohn deines Todfeindes anbändelt, was?«
    »Wieso wisst ihr …?« Ein rascher Blick auf Elsbeths befriedigtes Lächeln bestätigte Magdalena den ungeheuren Verdacht: Die Cousine war ihr nachgeschlichen und hatte anschließend nichts Eiligeres zu tun gehabt, als die Mutter über ihre Entdeckung zu unterrichten. Ihre Gedanken überschlugen sich. Wenn ihre Eltern es nun ohnehin schon wussten, war vielleicht endlich die Gelegenheit, nachzufragen, warum sich der Vater so vehement gegen Eric sperrte. Was hatte Babette da eben mit »Sohn deines Todfeindes« gemeint? Waren die Eltern ihr nicht auch eine Erklärung schuldig?
    »Das ist nicht wahr, Magdalena, oder?« Eher traurig als wütend sah der Vater sie an. »Sag mir jetzt sofort, dass du nicht mit Eric Grohnert zusammen bist.«
    Beim Aussprechen des Namens zitterte seine Stimme. Wie die Mutter es vorhergesehen hatte, machte ihm weniger die Tatsache zu schaffen, dass sie sich körperlichen Freuden hingab, als vielmehr die Erkenntnis, mit wem sie es trieb. Der Triumph, einen Keil zwischen Vater und Tochter zu treiben, sollte Babette nicht auch noch gegönnt sein! Sanft berührte Magdalena seinen Arm.
    »Was ist mit dir und Erics Vater?«, fragte sie vorsichtig. »Seit dreizehn Jahren ist er tot. Sein Sohn hat mir damals in Magdeburg das Leben gerettet. Warum kann dich diese selbstlose Heldentat nicht für ihn gewinnen?«
    »Das sind uralte Geschichten.« Der Vater wich ihr aus. Ohne sie noch einmal anzusehen, stellte er sich ans Fenster, schob mit der Hand die Vorhänge auseinander, so dass ein gleißender Sonnenstrahl hereinfiel, und starrte blicklos nach draußen.
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