Die Wundärztin
»Darüber will ich nicht mehr reden. Eins jedoch musst du wissen: Dieser Eric bringt dir Unglück, seine ganze Familie bringt Unglück. Am eigenen Leib haben ich und die Meinen das erfahren müssen.«
»Warum willst du mir nicht endlich sagen, was damals geschehen ist? Was hat Erics Vater dir und deiner Familie angetan?« Magdalena bebte am ganzen Körper, konnte ihre Stimme kaum beherrschen. Der Vater schüttelte nur den Kopf.
Erst als Babette hörbar die Luft einzog, um sich in das Gespräch einzuschalten, sprach er endlich weiter: »Alles haben sie uns genommen. Sogar meinen Bruder. Tot ist er, weil Erics Vater ihn vernichtet hat. An dem Kummer sind am Ende auch meine Eltern zugrunde gegangen. Deshalb habe ich es in der Heimat nicht mehr ausgehalten und bin fort, ganz weit fort. Bis ich mich in Ulm von den Pappenheimerschen habe anwerben lassen und da endlich auch mein Glück an der Seite deiner Mutter gefunden habe.«
Langsam wandte er sich wieder um und sah sie offen an, während Elsbeth und Babette gebannt vom Bett aus zuhörten. »Versuch, Eric Grohnert zu vergessen, mein Kind. Das ist das Beste für uns alle.«
4
Am Abend des folgenden Tages verließ Rupprecht das Haus des Apothekers und brach zu seinem üblichen Rundgang durch die Stadt auf. Die rot verglühende Sonne warf bereits lange Schatten auf das Pflaster, und ein sanfter Wind strich durch die aufgeheizten Häuserschluchten. Nach dem heftigen Gewitter vor zwei Tagen war das Wasser in den kleinen Kanälen endlich abgeflossen. Die Pflastersteine und Lehmböden waren dank der Hitze längst wieder trocken, und der strenge Unratgeruch war verflogen. Von den Wasseradern inmitten der Stadt ging endlich wieder wohltuende Erfrischung aus.
Geduldig beobachtete Elsbeth aus einer Nische auf der gegenüberliegenden Straßenseite das Eckhaus. Aus Angst, auf Meister Johann oder gar Magdalena zu treffen und unangenehme Fragen beantworten zu müssen, hatte sie nicht zu Rupprecht ins Laboratorium gehen wollen. Auch mochte er es nicht besonders, wenn sie dort auftauchte. Das hatte er sie bereits am gestrigen Tag spüren lassen. Dennoch war sie sich sicher, dass sie nicht mehr lange würde warten müssen. Seinen anfänglichen Vorbehalten zum Trotz hatte er das Beisammensein mit ihr am Ende sehr genossen. Bei der Erinnerung kicherte sie in sich hinein: Reichlich unwirsch hatte Rupprecht zunächst auf ihre Avancen reagiert, als sie ihn unter einem Vorwand in die abgeschiedene Scheune am Wall gelockt hatte. Erst hatte er wohl gar nicht glauben mögen, dass sie, die blonde, hochgewachsene Schönheit, ihn, den etwas kümmerlichen, verschrobenen Gehilfen des Feldschers, zu umgarnen begann. Unbeholfen hatte er abgewartet, als sie sich an ihn geschmiegt und ihm einen tiefen Blick in ihr Mieder erlaubt hatte. Sie hatte schon etwas direkter werden und ihn aufreizend mit den Schenkeln berühren müssen, bis er begriff. Aber erst als sie ihm den Arm um die Schultern gelegt und einen langen Kuss auf die Lippen gepresst hatte, war er vollends überzeugt gewesen und hatte sich ihr hingegeben. Überraschenderweise hatte er sich dann als wahrer Meister der Zärtlichkeiten erwiesen. Stille Wasser gründeten eben tatsächlich tief.
Sie kicherte abermals. Gedankenverloren streichelte sie sich in Erwartung der neuerlichen Wonnen über den Körper. Allein bei der Erinnerung an seine Berührungen begann es in ihr zu lodern. Kein Zweifel: Er musste sie verhext haben! Warum sonst hielt sie, der die Männer aus den unterschiedlichsten Rängen des Regiments zu Füßen lagen, sich ausgerechnet an diesem zu klein geratenen Feldschergehilfen für ihre unerfüllten Sehnsüchte schadlos? Oft schon hatte sie ihr Glück bei anderen Männern gesucht, dabei jedoch nie das gefunden, was Rupprecht ihr geschenkt hatte. Eine Fügung des Schicksals, dass ihre Wahl bei ihrem Vorhaben auf ihn gefallen war.
Endlich öffnete sich die gegenüberliegende Tür. Ein Schatten trat heraus.
»Rupprecht?« Leise rief sie seinen Namen und ging ihm entgegen. »Schön, dass du kommst.«
»Grüß dich.« Zu mehr kam er nicht. Aufgeregte Stimmen näherten sich von rechts. Bald wurde ein Mann erkennbar, der Kleidung nach ein einfacher Söldner, der ein aus voller Kehle schreiendes Kind auf den Armen trug. Unablässig redete er auf das Kind ein. An seiner Seite lief eine Frau, deren zu locker gebundenes Kopftuch bei jedem Schritt ins Gesicht rutschte. Auch sie sprach ohne Unterlass auf das erbärmlich zeternde Kind
Weitere Kostenlose Bücher