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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin
Autoren: Heidi Rehn
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glänzte. Vorwurfsvoll blitzten ihre grünen Augen Magdalena an. Der zierliche Mund spitzte sich bereits, auch das Kinn ragte vorwitzig auf. Noch aber sagte sie nichts. Aufdringlicher Rosen- und Lavendelduft umgab sie. Wie immer hatte sie in ihrem Eifer übertrieben und ein besonders dickes Büschel der getrockneten lila Pflanzenstengel in einem Krug mitten auf dem Nachtkästchen drapiert und eine große Schale Rosenblätter gleich danebengerückt. Nun schien das selbst ihr den Atem zu nehmen. Übertrieben fächelte sie sich mit der freien Hand Luft zu und hüstelte trocken.
    »Was willst du?«, fragte sie endlich mit ihrer viel zu schrillen Stimme und schob sich ein Stück höher in die Kissen. »Reichlich spät ist es. Dass du dich überhaupt noch hertraust! Wo hast du dich herumgetrieben, wenn ich als deine Mutter mal bescheiden nachfragen darf?«
    Missbilligend glitt ihr Blick über die Tochter. Verlegen zwirbelte Magdalena an einer Locke, ärgerte sich aber im nächsten Moment, dass Babette sie überhaupt verunsicherte. Schon nickte die Mutter dem Vater zu, wie um ihm ein Zeichen zu geben, dass es an ihm war, eine ordentliche Standpauke zu halten. Er aber reagierte nicht. Abermals senkte sich bleiernes Schweigen über die Anwesenden. Unbehaglich rekelte sich der Vater, ein dicklicher Mann Mitte vierzig. Auch wenn er es selbst nicht zugeben wollte, waren ihm die zwei Jahrzehnte, die er unter den Waffen lag, deutlich anzumerken. Die grauen Augen entbehrten jeglichen Glanzes und blickten flatterig in die Welt. Seine fleischigen Finger fuhren über die schlechtrasierten Wangen, wobei der Stumpf des linken Zeigefingers deutlich sichtbar wurde. Erst im letzten November hatte der Vater die Fingerkuppe in der ruhmreichen Schlacht bei Tuttlingen verloren. Magdalena hatte die Wunde versorgt. Sein spitzer Bauch, der sich unter dem Wams abzeichnete, wackelte, weil er statt loszuschimpfen immer unruhiger auf den Fußspitzen wippte. Dankbar suchte Magdalena seinen Blick. Nur zu gut wusste sie, wie sehr ihm an ihr lag. Fritzchen hin oder her – sie war bislang sein einziges Kind geblieben, mit dem er vernünftig sprechen konnte. Auch wenn sie nur ein Mädchen war, hatte sie ihm in den letzten Jahren durch ihre Klugheit und ihr Geschick als Feldscherin so manchen Anlass für eine stolzgeschwellte Brust gegeben. Selbst das Exerzieren hatte sie sich als kleines Mädchen von ihm beibringen lassen. Magdalena meinte, so etwas wie Zustimmung in seinen Augen zu entdecken, gleichzeitig blitzte Traurigkeit darin auf. Ahnte er etwas von ihrer Liebe zu Eric? Wenn sie doch nur wüsste, was ihn so gegen ihn aufbrachte!
    Meister Johann sah geflissentlich beiseite, Roswitha schnaubte. Lediglich Hagen Seume tat es der Mutter nach und musterte Magdalena gründlich vom Scheitel bis zur Sohle. Schamlos glotzte er ihr schließlich direkt auf den Busen. Unwillkürlich fasste sie sich ans Mieder und zog es enger zusammen. Daraufhin verzog er den Mund zu einem breiten Grinsen.
    Der Vater ging indes noch immer nicht auf Babettes stumme Aufforderung ein. Kurz entschlossen nahm sie es deshalb selbst in die Hand, ihrem Ärger Luft zu verschaffen: »Während du dich offenbar mit einem Burschen im Heu vergnügt hast, ist dein Bruder fast erstickt. Tiefblau angelaufen war der arme Wurm schon. Kaum ein Schnaufen hat er mehr herausgebracht. Zum Glück war deine Cousine da und konnte zu Roswitha und Meister Johann laufen. Elsbeth weiß wenigstens, was sie zu tun hat.«
    Im selben Moment trat die Erwähnte auf leisen Sohlen ins Zimmer. Eine leichte Röte überzog ihr engelsgleiches Gesicht, was es umso anziehender machte. Theatralisch streckte Babette die freie Hand nach ihr aus. Nicht weniger eindrucksvoll sank Elsbeth ihr zur Seite nieder und blickte lächelnd auf Fritzchens Köpfchen.
    »Verzeih. Das habe ich nicht gewollt«, murmelte Magdalena. Versonnen fuhr Babette Elsbeth durch das offene blonde Haar, eine Geste, zu der sie sich in Magdalenas Gegenwart gern herabließ.
    »Keine Sorge«, krächzte Roswitha, »Fritzchen ist schon wieder über den Berg. Die Hitze und das Gewitter gestern haben ihm wohl arg zugesetzt. Außerdem hat er kaum Luft bekommen. Kein Wunder, wenn er in so viele Schichten Spitzen und Leintücher gewickelt ist. Dass er da nicht trinken kann, sich vor lauter Durst aber verschluckt, ist doch klar. Ein paar Lagen weniger um den armen Wurm herum, und schon geht es ihm sichtlich besser.«
    Sie schnaubte noch einmal betont, dann wandte
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