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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman
Autoren: Blanca Busquets
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dreißig Jahren merkte, dass Leonor dem langhaarigen Burschen unter keinen Umständen den Laufpass geben würde, hatte sie sich eines Tages zu den beiden gesetzt. Leonor war gleich dicht an ihren Jofre herangerückt und hatte seine Hand genommen. Für Philosophie habe ich auch eine Menge übrig, hatte Dolors gesagt und sich eine Zigarette angesteckt, denn früher hatte sie hin und wieder geraucht. Wen findest du gut? Welche Philosophen, meine ich. Um Zeit zu schinden, warf Jofre seine Haare theatralisch nach hinten, während Dolors ihn unverwandt ansah, mit einem dieser inquisitorischen Blicke, mit denen sie solche Hallodris wie ihn leicht aus der Fassung brachte.
    Wie vorauszusehen, war dies bei dem Schnösel genauso. Er senkte den Kopf und strich sich mit der freien Hand verlegen durchs Haar, während diese dumme Gans von Leonor ihn mit weit aufgerissenem Mund anhimmelte, sodass Dolors am liebsten gewettert hätte, mach den Mund zu, Kind, sonst kommen Fliegen rein, es ärgerte sie nämlich unheimlich, dass ihre jüngste Tochter sich wie ein Mondkalb benahm. Genau deshalb hatte sie sich auch vorgenommen, die Betonmauer niederzureißen, die Jofre zum Schutz seines Egos um sich errichtet hatte. Denn Dolors wusste nur zu gut, dass er die Weisheit nicht gerade mit Löffeln gegessen hatte.
    Damals kannte sie sich mit den Männern längst aus und bedauerte zutiefst, dass diese Spezies nicht vom Aussterben bedroht war. So einen Unsinn hab ich ja schon lange nicht mehr gehört, hatte Teresa gemeint und aus vollem Hals gelacht, als sie das bei einem Weihnachtsessen einmal ihr, ihrer damaligen Freundin und der kleinen Leonor verkündete. Eduard war seinerzeit schon lange tot gewesen. Ich dachte, wenigstens du verstehst mich, Teresa, hatte sie gekränkt erwidert, du kannst auf die Männer doch auch gut verzichten. Also Mama! Du bist ja eine noch größere Feministin als ich!, hatte ihre Älteste erwidert und dann ihrer Liebsten zugezwinkert, wer hätte das von meiner Mutter gedacht, ich sollte sie für die Parteiführung vorschlagen. Worauf Dolors, vor Empörung hochrot, »Das fehlte gerade noch!« gerufen hatte, denn seinerzeit hatte sie nicht nur die Männer – abgesehen von Antoni natürlich   –, sondern auch sämtliche Parteien auf dem Kieker gehabt.
    Bei der Erinnerung an ihren einstmaligen zügellosen Männerhass muss Dolors nun belustigt den Kopf schütteln,wahrscheinlich war das während der Wechseljahre gewesen, die Geschichte mit den Hormonen ließ schon merkwürdige Gefühle in einem aufwallen, was für ein Glück, dass die nun schon seit Ewigkeiten vorbei sind. Obwohl   … es hätte ihr schon gefallen, wenn sie mit Jofre zu jener Zeit das Gleiche hätte tun können wie mit Eduard   … aber vielleicht wäre es beim zweiten Mal ja auch nicht so einfach gewesen.
    Mist, jetzt hat sie nicht aufgepasst und sich beim Zählen der Maschen vertan. Sie wird die ganze Reihe aufziehen und noch einmal stricken müssen. Aber wie ist das möglich   … dem Muster zufolge muss sie doch zwei Maschen rechts stricken, dann eine rechts verschränkt, danach einen Umschlag   … ach so, danach sollte keine linke Masche kommen, sondern eine rechte. Wie ärgerlich, sie muss sich mehr konzentrieren. Beim Stricken eines solch komplizierten Musters muss man nun mal besonders aufmerksam sein, aber man sieht jetzt schon, dass der Pullover richtig schön wird, obwohl sie nach dem Bündchen erst ein paar Reihen gestrickt hat. Schon die Maschenprobe am Anfang hat gezeigt, wie wunderbar die Farben zueinanderpassen, dieses helle Blau, das leuchtende Grün, und später kommt auch noch ein kleines bisschen sonniges Gelb dazu, dem Kind wird er bestimmt gefallen. Und wenn sie jeden Tag ein paar Stunden strickt, kann Sandra ihn noch in diesem Winter anziehen, Leonor hat reine Merinowolle gekauft, die schön wärmt. Und die Schultern und den Nabel wird der Pullover dann auch bedecken.
    Jofre hat vorhin nichts weiter gesagt und ist ins Bad geschlurft. Jetzt geht die Wohnungstür. Bis zum Abend bekommt Dolors ihn sicher nicht mehr zu Gesicht. Wieüblich hat er sich nicht verabschiedet. So ist er: Er besitzt einfach keinerlei Manieren.
    Seinerzeit, bei ihrem Gespräch über die Philosophie, da hätte er besser auch seinen Mund gehalten. Russell und Marx finde ich ganz spannend, hatte er schließlich nach einigem Zögern verkündet. Worauf Dolors, die die Grundzüge der Weltphilosophie in- und auswendig kannte, an ihrer Zigarette zog, kurz die Augen
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