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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman
Autoren: Blanca Busquets
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starken Charakter hatte, nur deshalb, nicht wegen des Geldes. Dass sie ihn heiratete, weil er wie ein Fels in der Brandung war und ihr so eine Stärke verlieh, die sie selbst nicht besaß. Weil er für sie eine schützende Mauer zwischen ihrer Verletzbarkeit und der Welt darstellte. Diese Mauer war mit der Zeit jedoch immer dicker geworden. Und als Teresa ausgezogen war, wurde ihr klar, dass etwas geschehen musste, und zwar schnell, denn die Situation war nicht mehr länger auszuhalten.

Das Bündchen
    »Nein, Mònica. Nein, ich hab es ihr noch nicht gesagt   … Wenn ich es dir doch sage, Mònica, ich   …« Zwar telefoniert Jofre vom Schlafzimmer aus und spricht sehr leise, aber sie kann ihn dennoch gut verstehen. Taub ist Dolors schließlich nicht. Bloß weiß sie später meistens nicht mehr so genau, wann sie was gehört hat. Aber das ist das geringste Problem, schließlich ist es egal, wann sich etwas zugetragen hat, entscheidend ist, dass es passiert ist.
    Schau, du packst einfach alles schnell in diese Tüte, wenn du Sandra nach Hause kommen hörst, und schiebst sie unter deinen Sessel, hatte Leonor zu Dolors gesagt. Und sollte sie dich fragen, was da drin ist, sagst du einfach, das seien Sachen von dir aus deiner Wohnung. Aber ich glaube nicht, dass sie was merkt, auf so was achtet sie eigentlich nicht.
    Außer auf ihren Liebsten achtet Sandra auf gar nichts, den Jungen mit der warmen Hand, den sie der Familie nicht vorstellt, weil sie vermutlich Angst hat, dass er euch nicht passt, hätte Dolors Leonor am liebsten geantwortet, aber es ging natürlich nicht. Wolle, Stricknadeln, Schere und die Zeitschrift mit dem Muster kann sie jedenfalls seelenruhig in der Plastiktüte verstecken, ohne befürchten zu müssen, dass ihre Enkelin sie entdeckt.
    Letztlich war es doch nicht so schwer gewesen, Leonor ihr Vorhaben zu erklären. Nach langem Hin und Her, was für ein Muster sie nehmen sollte, hatte sie schließlich mit zittriger Hand auf einen Zettel gekrakelt: »Ich möchte Sandra mit einem selbstgestrickten Pullover überraschen. Könntest du mir dafür bitte Wolle und Stricknadeln besorgen?« Den hatte sie ihrer Tochter unauffällig zugesteckt, zusammen mit ihrer Zeitschrift, in der sie die Strickanleitung angemerkt hatte.
    Die Wolle ist sehr weich und hat wirklich schöne kräftige Farben: Blau, Gelb und Grün. Leonor hat eine gute Wahl getroffen, das muss man ihrer Jüngsten lassen. Sie hat einen guten Geschmack, und seit sie die jugendliche Phase mit den Schlabberpullovern hinter sich hat, ist sie stets schick gekleidet.
    »Ich muss Schluss machen, ich bin nicht allein   … Ich dich auch. Küsschen.«
    Klick. Jofre hat aufgelegt.
    Dolors stockt der Atem. Was hat sie da gerade gehört? Ich dich auch?   … Für gewöhnlich ist das die Antwort auf ein »Ich liebe dich«: Millionen von Liebenden aller Altersklassen, Lebensformen und Neigungen reagieren mit genau diesen Worten! Hat Jofre eine Geliebte? Auf jeden Fall hat ihr Schwiegersohn etwas zu verbergen, sonst hätte er nicht so leise gesprochen, diese Mònica muss für ihn also eine überaus interessante Person zu sein   …
    »Na, wie geht’s uns denn heute, Dolors?«
    Dolors zuckt zusammen: Jofre hat ihr die Frage geradezu ins Ohr geschrien. Sie hat ihn vor lauter Nachdenken gar nicht ins Wohnzimmer kommen hören. Schnell lächelt sie und hebt den Daumen, wie sie das bei ihren Enkeln gesehenhat. Was ihren Schwiegersohn wohl sehr amüsiert, denn er muss laut darüber lachen.
    Schon merkwürdig, denkt Dolors, alle haben die Manie, sie anzuschreien, als wäre sie seit ihrem Schlaganfall nicht nur verstummt, sondern auch schwerhörig geworden, anscheinend besteht für sie da ein direkter Zusammenhang. Dabei hat das eine mit dem anderen nicht das Geringste zu tun! In gewisser Hinsicht ist es aber gut, dass ihre Familie so denkt, denn auf diese Weise bekommt sie unglaublich viele Dinge mit, die sie sonst nie erfahren hätte. Du hast also eine Geliebte, hätte Dolors Jofre jetzt am liebsten auf den Kopf zugesagt. Wer ist diese Mònica? Wahrscheinlich ist sie eine Kollegin vom »Gymi«, wie Jofre die Schule salopp bezeichnet, an der er arbeitet, sodass er mit ihr über Bücher und seinen momentanen Lieblingsphilosophen palavern kann, diesen Nietzsche, über den man jahrzehntelang nicht reden durfte, weil er für alle ein rotes Tuch war, für die einen war er ein Nazi und für die anderen ein Marxist, da sollte sich einer noch auskennen.
    Als sie vor
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