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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman
Autoren: Blanca Busquets
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hatte Martí seine Großmutter verteidigt. Von ihrem Sessel ins Bett und vom Bett in den Sessel: Mein Gott, Mama, was ist denn das für ein Leben! Lass sie in Ruhe,hatte ihre Tochter nur starrsinnig wiederholt, Oma ist vollkommen zufrieden damit, dass sie nicht allein, sondern im Kreise ihrer Lieben ist, mehr braucht sie nicht, um glücklich zu sein. Nein, das glaub ich nicht, hatte Martí Leonor energisch widersprochen, Oma ist eine blitzgescheite Frau, die will nicht einfach nur dasitzen und Däumchen drehen.
    Dolors muss schmunzeln, wenn sie an die Diskussion zurückdenkt. Er ist unheimlich nett, ihr Martí, und er behandelt sie auch nicht so wie all die anderen, so als wäre sie nicht mehr ganz bei Trost. Für ihn ist sie ein Mensch wie jeder andere auch, Punktum.
    Martí hat es sich jedenfalls in den Kopf gesetzt, seiner fünfundachtzigjährigen Großmutter beizubringen, wie man mit einem Computer umgeht. Und das mit einer Engelsgeduld, wie sie nur wenige junge Leute haben. Komm, Oma, komm mit ins Arbeitszimmer, das macht dir sicher Spaß, sagt er, sobald seine Mutter weg ist und er ein bisschen Zeit hat, um ihr wieder etwas von seinen Zauberkünsten zu erklären. Dolors hüpft jedes Mal das Herz vor Freude, wenn er ihr dann aus dem Sessel im Wohnzimmer aufhilft, sie liebevoll am Arm nimmt und in Jofres kleines Arbeitszimmer führt, wo diese Apparatur steht, die einen Bildschirm hat wie ein Fernseher, nur kleiner, auf dem man aber trotzdem alles wunderbar erkennen kann, und das sogar in Farbe. Und Tasten hat sie auch, wie eine Schreibmaschine, sie machen aber kein Geräusch, und kaum drückt man eine, geschieht direkt vor einem ein Wunder.
    Ganz am Anfang hatte Martí ihr gleich eines gezeigt, von dessen Anblick sie ganz überwältigt war. Das ist die Maus, Oma, hatte er erklärt und auf ein kleines graues Gerät gedeutet, sie heißt so, weil sie wie eine Maus wirkt,findest du nicht auch? Das Kabel ist der Schwanz. Und jetzt schau mal, was passiert, wenn du hier draufdrückst.
    Und da war auf der Mattscheibe auf einmal wie aus dem Nichts ein Kätzchen aufgetaucht, ein so niedliches Tierchen, dass Dolors vor Rührung fast die Tränen kamen. Das Kätzchen spazierte von einer Seite zur anderen, stolzierte mit hoch erhobenem Schwanz herum, tat hin und wieder einen eleganten Sprung oder machte einen Buckel, und manchmal setzte es sich auch hin und leckte sich hingebungsvoll die Pfoten.
    Ganz hingerissen hatte Dolors ihm zugesehen, bis Martí erklärte, sie sollten sich lieber mit etwas Ernsthaftem befassen. Er nahm die Maus, und plötzlich waren nur noch Zahlen und Buchstaben zu sehen gewesen. Wo ist die Katze hin?, wollte sie ihren Enkel aufgeregt fragen, aber natürlich gehorchte ihr ihre Zunge nicht, sodass sie nur ein paar kehlige Laute herausbrachte. In ihrer Not riss sie Martí deshalb die Maus aus der Hand und hämmerte verzweifelt auf die Tasten. Doch es nützte nichts: Das Kätzchen blieb verschwunden, und stattdessen erschienen immer mehr Zahlen und Buchstaben.
    Da hatte Martí seine Hand beruhigend auf ihre gelegt und sie zärtlich angesehen: Ich seh schon, Oma, du magst lieber mit dem Kätzchen spielen. Dabei bist du so eine kluge Frau, die zeitlebens so neugierig war und immer noch mehr lernen wollte. Aber vielleicht will man ja irgendwann einfach nur noch seine Ruhe haben   … Mit diesen Worten hatte er auf ein paar Tasten gedrückt und das Tierchen wieder herbeigezaubert. Das Kätzchen heißt übrigens Fèlix, hatte er noch gesagt und sie dann allein gelassen.
    Während Fèlix auf dem Bildschirm auf und ab spaziertwar, war sie an jenem Tag zu der Erkenntnis gelangt, dass es tatsächlich übernatürliche Kräfte gab und das, was sie da sah, ein Wunder oder Zauberei sein musste! Und das passierte ausgerechnet ihr, die ein Leben lang eine Skeptikerin gewesen war und immer für alles eine vernünftige Erklärung gesucht hatte. Nicht zu fassen, dass sie jetzt, mit Mitte achtzig, keinerlei Erklärungen mehr brauchte, jetzt war Zauberei einfach Zauberei. Bloß dass man heutzutage dazu »virtuelle Realität« sagte; aber alles ist nun mal dem Wandel unterworfen, inklusive der Bezeichnungen dafür.
    Nach einer Weile hatte Martí sie an jenem ersten Tag dann zurück ins Wohnzimmer zu ihrem Sessel geführt, und als sie wieder in ihrer Ecke saß, hatte sie ihn mit leuchtenden Augen angesehen. Denn das kann sie noch: Es ist ihre Art, danke zu sagen. Jetzt, da sie kein verständliches Wort mehr herausbringt, kann
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