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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman
Autoren: Blanca Busquets
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sie sich viele Jahre später eingestand, dass der Ring sie geblendet hatte, hätte sie sich am liebsten ihren Kopf gegen die Wand geschlagen – bis sie bei Leonors Heirat feststellte, dass wohl doch nicht der Ring verantwortlich war, denn Leonor hatte von Jofre keinen bekommen und war dennoch genauso blind gewesen. Also musste es etwas anderes sein, das Frauen zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben blendete und sie veranlasste, wie ein dusseliges Huhn Ja zu sagen und blindlings die größte aller Dummheiten zu begehen, selbst wenn es dafür einen guten Grund und jede Rechtfertigung der Welt gab. Und jetzt musste sie mit ihren fünfundachtzig Jahren mit ansehen, wie nun offensichtlich Sandra an der Reihe war. Wer hätte das gedacht, Dolors, manche Dinge ändern sich einfach nie.
    Sandra und ihr Verehrer sind nun endlich fort. Vor dreißig Jahren ging Leonor mit ihrem Jofre genauso ein und aus, sie vorneweg und er hinterdrein, mit einem Gesichtwie sieben Tage Regenwetter, ohne »Guten Tag« oder »Auf Wiedersehen« zu sagen. Siehst du nicht, dass er keine Manieren hat und dich an der Nase herumführt?, hatte Dolors sie zu warnen versucht, immer und immer wieder, aber ihre Jüngste war wie mit Dummheit geschlagen.
    Sie hatte sich damals so modern gegeben, mit all den Blumen, der »freien« Liebe und dem ganzen Gedöns, doch das Leben war auch in ihrem Fall seinen eigenen Gesetzen gefolgt. Anscheinend müssen wir alle das Gleiche durchmachen, sinniert Dolors nun, während sie sich unter dem linken Auge kratzt, wo es sie auf einmal wieder juckt, du hast da eine Allergie, Mama, hat Leonor ihr erklärt, worauf Dolors nur dachte, das fehlt mir gerade noch zu meinem Glück, eine Allergie, eine dieser Modekrankheiten! Immerhin hat sie keine Depression, die andere Modekrankheit, oder gar Magersucht, woran ihre Sandra leidet. Das gelegentliche Jucken am Auge, das hat sie erst seit dem Schlaganfall. Es ist nur eine kleine Stelle, aber die macht sie ganz kribbelig, sodass sie sich kratzen muss, bis die Haut ganz rot ist. Hinterher schimpft sie der Erstbeste, der nach Hause kommt: Hast du dich etwa schon wieder gekratzt, Oma? Wie oft sollen wir dir noch sagen, dass du es damit nur noch schlimmer machst? Dir ist wirklich nicht zu helfen. Sogar der Schwachkopf von Jofre tadelt sie, dabei hat
der
sie nun wirklich nicht zurechtzuweisen, da es ihm doch selbst an jeglicher Erziehung fehlt, und er kommt und geht ohne ein Wort. Ein Glück, dass Leonor ihren Kindern beigebracht hat, sich anständig zu benehmen.
    Immerhin hat sich ihr Schwiegersohn irgendwann die Haare schneiden lassen. Als junger Mann hatte er sie lang getragen, sie manchmal sogar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.Leonor hatte ihn in dem katholischen Jugendzentrum des Viertels kennengelernt, in das Dolors sie geschickt hatte, als sie merkte, dass die Nonnen ihre Jüngste zu einem verklemmten Fräulein machten. Leonor war schon immer leicht beeinflussbar gewesen und stets mit dem Strom geschwommen, mal hierhin und mal dorthin. Teresa war da ganz anders, sie hatte von jeher klare Leitbilder gehabt, zum Teil zwar recht merkwürdige, aber immerhin. Und sie hatte Eduard die Stirn geboten.
    Alles begann damit, dass sie ihm verkündete, sie wolle nicht Sekretärin werden, sondern Literaturwissenschaft studieren. Das war für ihren Vater der erste Schock gewesen. Den zweiten versetzte sie ihm mit ihrem Entschluss, sich dem Widerstand gegen Franco anzuschließen. Selbstredend verstand sie sich gleich mit Jofre. Doch geheiratet hat ihn Leonor, und nicht sie – denn Teresas dritter Schlag in Eduards Nacken war die Mitteilung, sie sei lesbisch. Wenn sie daran zurückdenkt, läuft Dolors noch heute ein Schauder den Rücken hinunter. Teresas Geständnis hatte sie damals wirklich erschüttert, und sie hätte gern darüber geredet und es zu verstehen versucht. Doch Eduard hatte nicht lange gefackelt. Teresa sei keine Frau, allerhöchstens ein unfertiges Stück Mann, hatte er gebrüllt. Die beiden hatten sich so laut angeschrien, dass die Wände wackelten. Leonor war damals noch nicht einmal in der Pubertät gewesen und hatte mit offenem Mund zugehört, ohne auch nur das Geringste zu verstehen. Dolors hatte sie deshalb schnell gepackt und in ihr Zimmer geschoben, um das Gefühlschaos, das in dem armen Kind toben musste, nicht noch größer werden zu lassen, weil es nicht wusste, auf wessen Seite es sich schlagen sollte.
    An jenem Tag schrien Eduard und Teresa aufeinander ein wie
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