Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Woelfin

Die Woelfin

Titel: Die Woelfin
Autoren: Vampira VA
Vom Netzwerk:
hätte er Fieber.
    Trockenes, widernatürliches Fieber. Kein Tropfen Schweiß entströmte den Poren seiner Haut, und das, obwohl er im Begriff stand, etwas zu tun, was ihn selbst in ewige Verdammnis stürzen konnte.
    Es ließ sich nicht vorhersagen, wie Sie darauf reagieren würden .
    So oft Rani diesen Gang auch unternommen hatte, er hatte sich nie daran gewöhnt. Zu dramatisch waren die Folgen seines Tuns, auch wenn er nur der Überbringer eines Urteils war, das die Mehrheit der Dorfgemeinschaft fällte.
    Noch war der Sack aus Leinen, den er bei sich trug, leer. Aber schon bald .
    Er bückte sich und griff in eine Öffnung des Obelisken, die nur ihm bestimmt war. Für die Tafeln gab es ein anderes Loch in dem Gebilde, das schwärzer als die Nacht selbst war - und sich vielleicht gerade deshalb so gut von ihr unterscheiden ließ.
    Der spitze Dorn im Innern der schlanken Pyramide bohrte sich in Ranis Handfläche, und das Blut, das ihn netzte, löste den Öffnungsmechanismus aus.
    Im unteren Bereich des Obelisken entstand eine Öffnung.
    Ein, zwei Mal hatten Unbefugte in verschiedenen Dörfern es versucht, an die Scherben zu gelangen - und waren allesamt eines qualvollen Todes gestorben, gerade so, als wäre der Dorn, der Rani nur den immer gleichen flüchtigen Schmerz bereitete, mit einem heim-tückischen Gift getränkt.
    Niemand konnte sagen, wie der Obelisk zwischen dem Todesboten und einem anderen unterschied.
    Aber zweifellos tat er es.
    Und nicht einmal verwegene Draufgänger hatten es seit jenen Vorfällen wieder gewagt, den Dorn herauszufordern .
    Wie jeden Monat sammelte Rani die tönernen Scherben ein. Keine war zu Bruch gegangen. Jeder eingeritzte Name war mühelos zu entziffern.
    Selbst im Dunkeln.
    Auch wie das zuging, wußte Rani nicht zu sagen.
    Früher hatte er es einfach akzeptiert. Früher hatte er auch der Versuchung widerstanden, alle Scherben zu lesen, während er sie in seinen mitgebrachten Beutel umschichtete - in dieser besonderen Nacht aber wurde er seinen Prinzipien untreu.
    Und er las viele, viele Male Sugrivas Namen. So oft, daß er nicht einmal zu zählen brauchte, um zu wissen, daß sie am häufigsten von allen Bewohnern Yakshamallas benannt worden war ...
    Zwischendurch fand er eine leere Scherbe.
    Und tauschte sie gegen eine neue, von Sugriva beschriftete aus.
    Der Name darauf war ohne Bedeutung, nachdem sich bestätigt hatte, was das Mädchen belauschen konnte.
    Rani war froh, daß er sie noch hatte überreden können, ein Täfelchen zu beschriften. Ob es etwas nützen würde, wußte er nicht. Er konnte nur auf die Gnade der Götter hoffen. Darauf, daß sie das Opfer dieses schändlichen Betrugs schonen und sich statt dessen den Anführer der Betrüger holen würden.
    Ranis Rivalen um die Gunst der zarten Sugriva .
    *
    Der Aufstieg zu den Tempeln war beschwerlicher als jeder Weg, den Rani in seinem Leben auf sich genommen hatte. Hie und da waren Reste verfallener Treppen erkennbar, die schon vor undenklichen Zeiten in den Fels gehauen worden sein mußten. Aber der größte Teil der Strecke erweckte den Anschein, als gäbe es überhaupt keine gewollten Pfade. Als wäre nie beabsichtigt gewesen, daß ein Sterblicher dorthin gelangte, wo die Bewahrer des KULTS regierten und über die Einhaltung seiner Gesetze wachten .
    Aber wenn das stimmte, wie kämen dann die Opfer zu ihnen, die von den Scherben genannt werden? dachte Rani. Er war noch nie zuvor in solche Höhen vorgestoßen. Der Spalt, in den er die Scherben normalerweise zu schütten hatte, lag in unmittelbarer Nähe des Dorfes. Sind die, die des Nachts in unsere Dörfer schleichen und unsere Liebsten aus unserer Mitte reißen, keine Sterblichen, keine Geschöpfe aus Fleisch und Blut? Besitzen sie Flügel?
    Er schloß es nicht aus. Aber solche Gedanken bestärkten ihn nicht gerade. Er hatte allen Mut zusammenreißen müssen, um das Wagnis einzugehen, seine eigentliche Pflicht zu vernachlässigen. Ein Bote hatte nur die Täfelchen aus dem Obelisken zu nehmen und in den heiligen Spalt zu schütten. Sonst nichts.
    Von der persönlichen Übergabe der Scherben war nie die Rede gewesen - und es war keineswegs abwegig zu glauben, daß Rani sich mit dieser Eigenmächtigkeit den Zorn der Kulthüter zuziehen würde .
    Er stöhnte, als er ausrutschte und sich die Unterarme aufschürfte. Der Beutel mit den tönernen Namen vieler Bewohner Yakshamallas prallte mit einem Geräusch gegen den felsigen Boden, daß sich Ranis Nackenhaare sträubten.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher