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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik
Autoren: Ian Banks
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ich erinnere mich, daß
ich letzte Nacht von jenem Pferd geträumt habe.
    Nachdem mein Vater mir alles erzählt hatte, was es zu
erzählen gab, und ich mich nach anfänglichem Unglauben und
Zorn zu einem fassungslosen Akzeptieren durchgerungen hatte, und
nachdem wir die nähere Umgebung des Gartens untersucht, nach
Eric gerufen, die Unordnung so gut wie möglich beseitigt und die
letzten schwelenden Reste des Feuers gelöscht hatten, nachdem
wir die Kellertür verbarrikadiert hatten und zurück ins
Haus gegangen waren, und nachdem er mir erklärt hatte, warum er
das getan hatte, was er getan hatte, gingen wir zu Bett. Ich
schloß meine Schlafzimmertür ab, und ich bin ziemlich
sicher, daß er seine ebenfalls abschloß. Ich schlief und
hatte einen Traum, in dem ich jenen Abend mit dem Pferd noch einmal
durchlebte, wachte am nächsten Morgen früh auf und ging
hinaus, um Eric zu suchen. Gerade als ich aus dem Haus trat, sah ich
Diggs, der den Pfad heraufkam. Mein Vater hatte eine umfassende
Aussage zu machen. Ich überließ die Sache den beiden.
     
    Das Wetter hatte aufgeklart. Kein Gewitter, kein Donnern und
Blitzen, nur ein Wind aus Westen, der sämtliche Wolken hinaus
aufs Meer trieb und damit auch die größte Hitze. Es war
wie ein Wunder, obwohl es sich wahrscheinlicher um ein
Hochdruckgebiet über Norwegen handelte. Jedenfalls war es sonnig
und klar und kühl.
    Ich fand Eric schlafend auf der Düne über dem Bunker,
mit dem Kopf im schwankenden Gras, zusammengerollt wie ein kleines
Kind. Ich ging zu ihm hin und setzte mich für eine Weile neben
ihn, dann sprach ich seinen Namen aus, tätschelte seine
Schulter. Er wachte auf, sah mich an und lächelte.
    »Hallo, Eric«, sagte ich. Er streckte eine Hand aus, und
ich ergriff sie. Er nickte, immer noch lächelnd. Dann drehte er
sich um, legte seinen Lockenkopf in meinen Schoß, schloß
die Augen und schlief wieder ein.
    Ich bin nicht Francis Leslie Cauldhame. Ich bin Frances Lesley
Cauldhame. Darauf läuft die ganze Sache hinaus. Die Tampons und
die Hormone waren für mich bestimmt.
    Die Marotte meines Vaters, Eric wie ein Mädchen anzuziehen,
so stellte sich heraus, war nur die Generalprobe für meinen
Fall. Als der Alte Saul mich überfiel, sah mein Vater darin die
ideale Gelegenheit für ein kleines Experiment und eine
Möglichkeit, den Einfluß des Weiblichen um ihn herum
während meines Aufwachsens einzuschränken – wenn nicht
gar ganz zu beseitigen. Also fing er an, mich mit männlichen
Hormonen zu behandeln, und er tat es bis heute. Deshalb bereitet er
stets alle Mahlzeiten zu, deshalb ist das, was ich immer für den
Stummel eines Penis gehalten habe, in Wirklichkeit eine
vergrößerte Klitoris. Daher der Bartwuchs, keine Periode
und all die anderen Erscheinungen.
    Doch während der letzten Jahre hält er die Tampons
bereit, für den Fall, daß meine natürlichen Hormone
doch die Überhand gewinnen über jene, die er in mich
hineinpumpt. Er mußte die Androgene einigermaßen im Zaum
halten, damit ich nicht allzu geil wurde. Er fertigte ein
künstliches Modell eines männlichen Geschlechtsteils, und
zwar aus dem gleichen Wachs, das ich unter der Treppe gefunden hatte
und aus dem ich meine Kerzen herstellte. Er hatte vorgehabt, mir das
Konservierungsglas vor Augen zu halten, wenn ich jemals bezweifeln
sollte, daß ich wirklich kastriert war. Je mehr Lügen,
desto mehr Beweise. Selbst der Quatsch mit dem Geruch der Fürze
war Betrug; er ist seit Jahren mit Duncan, dem Mann an der Bar,
befreundet, und gibt ihm immer ein paar Drinks aus als Gegenleistung
dafür, daß jener ihn anruft und ein paar Informationen
durchgibt, nachdem ich in den ›Arms‹ getrunken hatte. Auch
jetzt bin ich noch nicht hundertprozentig sicher, ob er mir die ganze
Wahrheit gesagt hat, obwohl er offenbar von dem Drang besessen war,
alles zu gestehen, und ihm gestern abend Tränen in den Augen
standen.
    Wenn ich darüber nachdenke, spüre ich, wie sich erneut
ein Klumpen von Wut in meinem Bauch formt, doch ich kämpfe
dagegen an. Ich wollte ihn umbringen, sofort und gleich dort in der
Küche, nachdem er mir alles erzählt und mich überzeugt
hatte. Ein Teil von mir möchte immer noch glauben, daß es
einfach seine neueste Lüge ist, aber in Wirklichkeit weiß
ich, daß es die Wahrheit ist. Ich bin eine Frau. Meine Schenkel
sind vernarbt, die Schamlippen etwas verunstaltet, und ich werde
niemals attraktiv sein, aber nach der Aussage meines Vaters bin ich
eine normale Frau, zur Ausübung
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