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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik
Autoren: Ian Banks
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und setzte mich mit
einem Achselzucken hin. Mein Vater drehte den Schalter für die
Herdplatte, auf der der Suppentopf stand, auf eine höhere Stufe,
hob den Deckel, um die aufzuwärmende Mischung zu begutachten,
und wandte sich wieder zu mir um.
    In dem Raum hing etwa in Schulterhöhe eine Schicht blauen
Rauchs mit einer großen Welle darin, wahrscheinlich von mir
verursacht, als ich durch die Doppeltür des Hintereingangs
hereinkam. Die Welle stieg langsam zwischen uns höher,
während mein Vater mich ansah. Ich rutschte nervös auf
meinem Stuhl hin und her, blickte zu Boden und spielte mit dem
Handriemen der schwarzen Schleuder. Flüchtig kam mir in den
Sinn, daß mein Vater besorgt aussah, aber er war ein begabter
Schauspieler, und vielleicht wollte er, daß ich genau das
dachte, und zwar so tief in meinem Innern, daß ein Hauch von
Zweifel blieb.
    »Ich denke, ich sollte es dir besser sagen«, setzte er
an, dann wandte er sich wieder ab, nahm einen Holzlöffel und
rührte die Suppe um. Ich wartete. »Es geht um
Eric.«
    Da wußte ich, was passiert war. Er brauchte mir den Rest
nicht zu erzählen. Ich schätze, ich hätte nach seinen
wenigen Worten auf den Gedanken kommen können, daß mein
Halbbruder tot war oder krank oder daß ihm etwas
passiert war, aber ich wußte in diesem Moment bereits,
daß es um etwas ging, das Eric seinerseits getan hatte, und es
gab nur eine Sache, die Eric getan haben konnte und die meinen Vater
besorgt aussehen ließ. Er war geflohen. Ich sagte jedoch
nichts.
    »Eric ist aus dem Krankenhaus weggelaufen. Um uns das zu
sagen, ist Diggs hergekommen. Man vermutet, daß er auf dem Weg
hierher ist. Nimm dieses Zeug vom Tisch, das habe ich dir schon so
oft gesagt.« Er probierte schlürfend die Suppe, immer noch
den Rücken mir zugewandt. Ich wartete, bis er sich umdrehte,
dann nahm ich die Schleuder, das Fernglas und den Spaten vom Tisch.
Im gleichen flachen Tonfall fuhr mein Vater fort: »Nun, ich
glaube gar nicht, daß er so weit kommen wird. Man wird ihn
vermutlich in einem oder zwei Tagen aufgreifen. Ich dachte nur, ich
sage es dir besser. Für den Fall, daß jemand anderes
irgend etwas hört und darüber spricht. Hol dir einen
Teller!«
    Ich ging an den Schrank und nahm einen Teller heraus, dann setzte
ich mich wieder mit einem untergeschlagenen Bein hin. Mein Vater
machte sich erneut ans Rühren der Suppe, deren Duft jetzt den
Zigarrenrauch übertraf. Ich spürte Aufregung im Magen
– einen emporsteigenden prickelnden Schwall. Eric kam also
wieder nach Hause; das war gut und schlecht. Ich wußte,
daß er es schaffen würde. Es kam mir gar nicht in den
Sinn, mich bei der Fabrik danach zu erkundigen; er würde
herkommen. Ich fragte mich, wie lange er wohl brauchen würde und
ob Diggs es überall in der Stadt verbreiten und die Leute warnen
würde, daß der Verrückte, der Hunde
anzündete, wieder auf freiem Fuß war. Geben Sie acht
auf Ihre wertvollen Vierbeiner!
    Mein Vater goß mit einer Schöpfkelle Suppe in meinen
Teller. Ich blies, um sie abzukühlen. Ich dachte an die
Opferpfähle. Sie waren mein Frühwarnsystem und
Abschreckungsmechanismus in einem; ausgeklügelte, wirkungsvolle
Einrichtungen, die Ausschau hielten und Unheil von der Insel
fernhielten. Diese Totems waren meine Warnschüsse; jeder, der
ihrer ansichtig wurde und dennoch den Fuß auf die Insel setzte,
mußte wissen, auf was er sich einließ. Doch es hatte den
Anschein, daß sie, anstatt wie eine drohend geballte Faust
aufgefaßt zu werden, eine einladend geöffnete Hand
darstellten. Für Eric.
    »Wie ich feststelle, hast du dir auch diesmal wieder die
Hände gewaschen«, sagte mein Vater, während ich die
heiße Suppe schlürfte. Er meinte es ironisch. Er nahm die
Whiskyflasche von der Anrichte und goß sich ein Glas ein. Das
andere Glas, aus dem meiner Vermutung nach der Polizist getrunken
hatte, stellte er ins Spülbecken. Er nahm am anderen Ende des
Tisches Platz.
    Mein Vater ist hochgewachsen und schlank, obwohl er leicht gebeugt
geht. Er hat ein zartes Gesicht, wie das einer Frau, und dunkle
Augen. Er humpelt, und das, so lange ich zurückdenken kann. Sein
linkes Bein ist fast vollkommen steif, und für gewöhnlich
nimmt er beim Verlassen des Hauses einen Stock mit. An manchen Tagen,
wenn feuchte Witterung herrscht, braucht er den Stock auch im Haus,
und ich höre ihn dann über die nackten Böden der
Räume und Flure des Hauses tappen; es ist ein hohler Klang, der
von einer Stelle zur anderen wandert. Nur
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