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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik
Autoren: Ian Banks
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noch grauenvoll (irgend etwas über Hippies in einer
Kommune irgendwo in der Wüste, die Verbindung mit
Außerirdischen aufnehmen); es gab Briefbeschwerer aus Glas,
Handschuhe, psychedelischen Krimskrams, einige alte Beatles-Singles,
ein paar Exemplare von Oz und IF, einige ausgetrocknete
Filzstifte und abgebrochene Bleistifte. Müll, nichts als
Müll.
    Dann kam ich an den Teil des Sekretärs, der abgeschlossen
war: eine Abteilung unter dem Rollverschluß, unten mit
Scharnieren und einem Schlüsselloch am oberen Rand. Ich zog die
Schlüssel aus der Tür, und, wie ich es erwartet hatte,
einer der kleineren paßte. Die Lade klappte herunter, und ich
zog die vier kleinen Schubladen, die sich dahinter verbargen, heraus
und stellte sie auf die Arbeitsfläche des Sekretärs.
    Ich starrte ihren Inhalt an, bis meine Beine anfingen zu zittern
und ich mich auf den wackeligen kleinen Stuhl setzen mußte, der
halb unter dem Sekretär gestanden hatte. Ich legte den Kopf in
die Hände und bebte wieder am ganzen Körper. Was
mußte ich in dieser Nacht noch alles durchmachen?
    Ich fuhr mit beiden Händen in eine der kleinen Schubladen und
zog die blaue Schachtel mit Tampons heraus. Mit zitternden Fingern
holte ich die zweite Schachtel aus der Schublade. Sie war beschriftet
mit ›Hormone – männlich‹. Darin befanden sich
kleinere Schachteln, säuberlich mit schwarzen
Auszeichnungsziffern beschriftet, und zwar mit Daten, die bis etwa
sechs Monate in die Zukunft reichten. Auf einer anderen Schachtel aus
einer anderen Schublade stand ›KBr‹, was in meinem Denken
ein undeutliches ›Aha‹ auslöste, allerdings ganz weit
hinten. Die übrigen beiden Schubladen enthielten fest
zusammengerollte Bündel von Fünf- und Zehnpfundnoten und
Zellophanbeutel mit kleinen Papierquadraten darin. Ich verfügte
jedoch nicht mehr über die Kapazität, mir Gedanken
darüber zu machen, was es mit dem anderen Zeug im einzelnen auf
sich haben mochte; in meinem Geist tobte eine entsetzliche Idee, die
mir soeben gekommen war. Ich saß da, mit starrenden Augen und
weit aufgerissenem Mund, und dachte nach. Ich blickte nicht zu dem
Glas hinauf.
    Ich dachte an jenes zartgeschnittene Gesicht, die nur leicht
behaarten Arme. Ich versuchte mich an eine Gelegenheit zu erinnern,
bei der ich meinen Vater nackt bis zur Taille gesehen hatte, aber es
fiel mir ums Verrecken keine ein. Das Geheimnis. Das konnte nicht
sein. Ich schüttelte den Kopf, aber der Verdacht ging mir nicht
aus dem Sinn. Angus. Agnes. Ich wußte nur aus seiner
Erzählung, was damals geschehen war. Ich hatte keine Ahnung,
inwieweit man Mrs. Clamp trauen konnte, keine Ahnung, wie sehr der
eine Macht über die andere oder umgekehrt haben mochte. Aber das
konnte doch nicht sein! Es war so gespenstisch, so abscheulich! Ich
stand schnell auf, stieß den Stuhl nach hinten um, so daß
er auf das Holz der unbedeckten Bodendielen polterte. Ich packte die
Schachtel mit den Tampons und die mit den Hormonen, nahm die
Schlüssel, schloß die Tür auf und hastete hinaus, die
Treppe hinauf, wobei ich mir gleichzeitig die Schlüssel in eine
Tasche schob und das Messer aus der Hülle zog. »Frank wird
dich schnappen«, zischte ich vor mich hin.
     
    Ich stürmte in das Schlafzimmer meines Vaters und knipste das
Licht an. Er lag voll bekleidet auf dem Bett. Ein Schuh war
heruntergefallen, er lag am Boden unter seinem Fuß, der
über den Rand des Bettes hing. Er lag auf dem Rücken und
schnarchte. Er drehte sich um und warf sich einen Arm übers
Gesicht, um sich gegen das Licht abzuschirmen. Ich ging zu ihm,
riß ihm den Arm weg und schlug ihn zweimal mit aller Kraft ins
Gesicht. Sein Kopf schwankte, und er schrie laut auf. Er öffnete
erst ein Auge, dann das andere. Ich hob das Messer auf die Höhe
seiner Augen und wartete, daß er den Blick mit der
Ungenauigkeit der Trunkenheit darauf einstellte. Er verströmte
den Fäulnisgestank von Alkohol.
    »Frang?« sagte er schwach. Ich stieß mit dem
Messer auf ihn zu und hielt kurz vor dem Nasensattel inne.
    »Du Schwein«, fauchte ich ihn an. »Was, zum Teufel,
soll das hier sein?« Ich schwenkte die Schachteln mit den
Tampons und den Hormonen mit der anderen Hand vor ihm herum. Er
stöhnte und schloß die Augen. »Los, sag schon!«
schrie ich und schlug ihn erneut, wobei ich den Rücken der Hand
benutzte, in der ich das Messer hielt. Er versuchte, sich von mir
wegzurollen, quer übers Bett unter das geöffnete Fenster,
doch ich zog ihn von der heißen, stillen Nacht
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