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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik
Autoren: Ian Banks
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alle
Richtungen um, dann riß ich mich zusammen und prüfte und
bereitete meine Bewaffnung vor. Anschließend setzte ich mich
auf den Sessel und lehnte mich zurück, schaltete das Radio
wieder an und hielt weiterhin Ausschau.
    Er war irgendwo dort draußen. Diese Erkenntnis verdankte ich
den Vögeln. Mein Magen hüpfte vor Aufregung, und meine
Eingeweide sandten Wellen von Freude durch mich hindurch, so
daß ich trotz der Hitze zitterte. Dieser verlogene alte
Scheißer, der versucht hatte, mich aus dem Haus zu locken, nur
weil er Angst hatte, Eric gegenüberzutreten. Mein Gott,
wie dumm war ich gewesen, die pure Lüge in seiner triefenden
Stimme nicht zu hören! Und er hatte den Nerv, mich wegen meines
Trinkens zu schimpfen. Wenigstens tat ich es, wenn ich wußte,
daß ich es mir leisten konnte, nicht wenn ich all meine Sinne
auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit brauchte, um mit
einer Krise fertig zu werden. Dieser Scheißer! Und er hielt
sich für einen Mann!
     
    Ich schüttete mir noch ein paar Gläser aus dem immer
noch kühlen Krug mit dem Orangensaft ein, aß einen Apfel
und etwas Brot und Käse und hielt weiterhin Ausschau. Der Abend
neigte sich rasch zur Dunkelheit, da die Sonne untertauchte und sich
die Wolken verdichteten. Die Thermik, die für die Auflockerungen
in der Wolkendecke über dem Land gesorgt hatte, nahm ab, und der
Teppich, der sich über den Hügeln und der Ebene
ausbreitete, wurde immer undurchdringlicher, grau und ohne Muster.
Nach einiger Zeit hörte ich Donner, und in der Luft lag etwas
Strenges und Bedrohliches. Meine Nerven waren aufs
äußerste angespannt, und ich konnte nicht umhin, das
Läuten des Telefons zu erwarten, obwohl ich wußte,
daß das nicht sein konnte. Wie lang würde mein Vater
brauchen, um zu merken, daß ich längst da sein
müßte? Hatte er damit gerechnet, daß ich mit dem
Fahrrad kommen würde? War er irgendwo in die Gosse gefallen,
oder taumelte er bereits als Anführer von einem Trupp Stadttypen
her in Richtung Insel, bewaffnet mit brennenden Fackeln, um den
Hundemörder dingfest zu machen?
    Egal. Mir konnte kein Herankommender entgehen, auch nicht in
diesem Licht, und ich konnte hinausgehen, um meinen Bruder willkommen
zu heißen, oder aus dem Haus fliehen und mich irgendwo auf der
Insel verstecken, wenn die Rächer erschienen. Ich schaltete das
Radio aus, damit ich eventuelles Rufen vom Festland hören
konnte, und strengte die Augen an, um im schwindenden Licht die
Umgebung abzusuchen. Nach einiger Zeit flitzte ich in die Küche
hinunter und packte einen kleinen Nahrungsvorrat ein, den ich am
Dachboden in einem Leinenbeutel verstaute. Das war eine
Maßnahme für den Fall, daß ich das Haus verlassen
müßte und Eric treffen würde. Er hatte womöglich
Hunger. Ich machte es mir in dem Sessel bequem und ließ die
Schatten über der dunkler werdenden Landschaft nicht aus den
Augen. In weiter Ferne, am Fuße der Hügel, bewegten sich
Lichter auf der Straße, glitzerten in der Abenddämmerung,
blitzten wie unregelmäßige Leuchttürme durch die
Bäume, um Ecken herum, über die Hügel hinweg. Ich rieb
mir die Augen und reckte mich und versuchte, die Erschöpfung aus
meinen Gliedern zu vertreiben.
    Ich sorgte vor, fügte dem Vorrat in dem Beutel, den ich
notfalls bei meiner Flucht aus dem Haus mitnehmen würde, noch
ein paar Schmerztabletten bei. Diese Art von Wetter löste
möglicherweise Erics Migräne aus, so daß er etwas zur
Linderung brauchte. Ich hoffte, daß er verschont bliebe.
    Ich gähnte, riß die Augen auf und aß noch einen
Apfel. Die undeutlichen Schatten unter den Wolken wurden dunkler.
     
    Ich wachte auf.
    Es war dunkel, ich saß immer noch in dem Sessel, die Arme
verschränkt unter dem Kopf, der auf dem Metallrahmen der
Dachluke ruhte. Etwas, ein Geräusch im Haus, hatte mich
aufgeweckt. Ich blieb noch eine Sekunde lang still sitzen und
spürte, wie mein Herz jagte und mein Rücken sich über
die unbequeme Stellung, in der er so lange hatte verharren
müssen, beklagte. Blut bahnte sich schmerzhaft seinen Weg in die
Teile meiner Arme, die das Gewicht meines Kopfes von der Versorgung
abgeschnitten hatte.
    Dann drehte ich mich im Sessel um, schnell und lautlos. Der
Dachboden war in Schwärze gehüllt, doch mein Gespür
versicherte mir, daß nichts da war. Ich berührte einen
Knopf an meiner Uhr und stellte fest, daß es nach elf war. Ich
hatte stundenlang geschlafen. Ich Idiot! Dann hörte ich, wie
sich unten jemand bewegte; undeutliche Schritte,
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