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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik
Autoren: Ian Banks
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schloß die Luke und schaltete das Radio aus.
Meine Beine waren müde und schmerzten, wie ich jetzt erst
feststellte; vielleicht hatte ich in letzter Zeit die Dinge etwas
übertrieben.
     
    Die Risse in den Wolken am Himmel bewegten sich langsam
landeinwärts, während ich mich wieder auf dem Weg in
Richtung Stadt bewegte. Es war dunkel dafür, daß es erst
halb acht war, und eine sommerliche Düsternis aus weichem Licht
lag überall über der ausgetrockneten Landschaft. Einige
Vögel flogen bei meinem Vorübergehen träge auf.
Etliche hockten auf den Drähten der Telefonleitung, die sich auf
dürren Pfählen auf die Insel schlängelte. Schafe gaben
ihre häßlichen, abgehackten Töne von sich, kleine
Lämmer blökten zurück. Ein Stück weiter des Weges
saßen Vögel auf Stacheldrahtzäunen, wo die
zerrupften, schmutzigen Wollebäusche auf die bevorzugten Pfade
hinweisen, auf denen die Schafe darunter hindurchschlüpften.
Trotz des vielen Wassers, das ich den ganzen Tag über getrunken
hatte, setzte in meinem Kopf wieder ein dumpfer Schmerz ein. Ich
seufzte und ging weiter, durch die allmählich flacher werdenden
Dünen und vorbei an stoppeligen Feldern und struppigem
Weideland.
    Ich setzte mich hin, mit dem Rücken an Sand gelehnt, kurz
bevor ich die Dünen vollkommen verließ, und wischte mir
über die Stirn. Ich schnipste mir ein paar Schweißtropfen
vom Finger und ließ den Blick über die reglosen Schafe und
die kauernden Vögel schweifen. Aus der Stadt drang der Klang von
Glocken herüber, wahrscheinlich von der katholischen Kirche.
Oder vielleicht hatte sich die frohe Botschaft verbreitet, daß
ihre widerlichen Köter in Sicherheit waren. Ich schnaubte
verächtlich, sog die Luft in einer Art Halblachen durch die Nase
und blickte über das Gras und Gestrüpp und Unkraut zum Turm
der Church of Scotland. Ich konnte von meinem Platz aus beinah die
Bücherei sehen. Ich merkte, wie sich meine Füße
beschwerten, und wußte, daß ich mich nicht hätte
hinsetzen dürfen. Sie würden weh tun, wenn ich mich wieder
in Bewegung setzte. Ich wußte verdammt gut, daß ich meine
Ankunft in der Stadt nur hinauszögern wollte, genau wie ich es
hinausgezögert hatte, nach dem Anruf meines Vaters das Haus zu
verlassen. Ich sah mich noch einmal nach den Vögeln um, die wie
Noten auf den Drähten eben jener Leitung saßen, über
die die Nachricht gekommen war. Sie verschmähten einen
bestimmten Abschnitt, wie mir jetzt auffiel.
    Ich runzelte die Stirn, betrachtete mir die Sache genauer,
runzelte erneut die Stirn. Ich tastete nach dem Fernglas,
berührte jedoch nur meine Brust; ich hatte es zu Hause
vergessen. Ich stand auf und setzte mich auf dem unebenen Boden in
Bewegung, weg von dem Pfad, verfiel in Laufschritt; dann rannte ich,
schließlich sprintete ich über das Unkraut und
Gestrüpp, machte einen Satz über einen Zaun auf eine Weide,
wo die Schafe aufsprangen und sich in alle Richtungen zerstreuten und
vorwurfsvoll blökten.
    Als ich bei der Telefonleitung ankam, war ich völlig
außer Atem.
    Sie war heruntergefallen. Der frisch durchgeschnittene Draht hing
am Holz des Pfahls auf dem Festland. Ich blickte nach oben, um mich
zu vergewissern, daß mich meine Augen nicht trogen. Ein paar
der Vögel in der Nähe waren davongeflogen und drehten jetzt
Kreise, wobei sie mit den Schreien ihrer dunklen Stimmen die fast
stehende Luft über dem trockenen Gras durchschnitten. Ich rannte
zu dem ersten Pfahl auf der Insel jenseits des Meeresarms. Ein Ohr,
bedeckt mit kurzem schwarzweißem Fell, noch blutend, war an das
Holz genagelt. Ich berührte es und lächelte. Ich blickte
mich aufgebracht um und beruhigte mich gleich darauf wieder. Ich
wandte das Gesicht der Stadt zu, wo der Turm wie ein anklagender
Finger steil aufragte.
    »Du verlogenes Schwein!« zischte ich, dann machte ich
mich wieder in Richtung Insel auf, wurde im Laufen immer schneller,
flitzte über den Pfad und wurde vom Gestrüpp gekratzt,
eilte in langen Sätzen über die rissige Oberfläche des
Bodens, nahm Anlauf hinunter zum Hindernishügel und
überwand ihn leichtfüßig. Ich schrie und
brüllte, dann hielt ich den Mund und bewahrte meinen wertvollen
Atem fürs Laufen.
    Ich kam zum Haus zurück, wieder einmal, und hastete
schweißgebadet zum Dachboden hinauf, wobei ich kurz beim
Telefon haltmachte und es überprüfte. Kein Zweifel, es war
vollkommen tot. Ich rannte nach oben, wieder hinauf zum Dachboden und
der Fensterluke, sah mich einmal kurz mit dem Fernglas in
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