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Die Werwolfbraut (German Edition)

Die Werwolfbraut (German Edition)

Titel: Die Werwolfbraut (German Edition)
Autoren: Earl Warren
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dass du letzte Nacht ausgerissen bist.«
    Der Werwolf verschwand. In Francescas rehbraunen Augen flackerte immer noch die nackte Angst. Filomena ging zu ihr.
    »So«, sagte sie, »jetzt wissen Sie Bescheid, Teuerste. Ihr Neugier hätte sie leicht das Leben kosten können. Ricardo ist unberechenbar, wenn er seine Anfälle hat. Er hat sich dann nicht mehr unter Kontrolle. Die Bestie bricht durch, der alte Familienfluch der di Lampedusas.«
    »Anfälle?«, fragte Francesca. »Sie meinen, die Metamorphose, der magische Keim der Lykanthropie. Wie ist Ricardo zum Werwolf geworden?«
    »Das liegt bei den Lampedusas in der Familie«, antwortete Filomena und bestätigte damit das, was Francesca von anderer Seite gehört hatte. »Aber darüber sprechen Sie besser selber mit ihm, sobald der Vollmond vorbei ist. Bis dahin halten Sie sich strikt an meine Anordnungen oder verlassen das Schloss ganz. – Obwohl, dann müssten Sie für eine Weile aus der Gegend verschwinden. Denn wenn Ricardo Sie finden will und Sie in der Nähe sind, findet er Sie. Das ist so sicher wie die Werwolfverwandlung bei Vollmond. Leider.«
    »Vor vier Wochen bei Vollmond bin ich nach Sonnenuntergang mit Ricardo zusammen gewesen«, sagte Francesca. »Da hat er sich nicht verwandelt.«
    »Kurzfristig, ja, aber Sie haben bestimmt nicht ganze Nacht in seiner Nähe verbracht. Dann würden Sie nämlich nicht mehr leben. Manchmal kann Ricardo den Verwandlungsprozess für relativ kurze Zeit zurückhalten. Doch in den meisten Fällen gelingt es ihm nicht. Wenn es gelingt, wirkt sich Ricardos Willensakt bei der nächsten Vollmondphase umso schlimmer aus. Die Körperzellen des Werwolfs holen nach, was ihnen entgangen ist. Sie sehen ja, sogar bei Tag ist er ein blutdürstiger Werwolf. Das haben Sie jetzt davon.«
    Francesca bebte. Sie war zutiefst erschüttert. Bisher hatte sie sich gegen die Erkenntnis gesträubt, was mit Ricardo los war. Jetzt konnte sie davor nicht mehr die Augen verschließen. Mein Verlobter, der Mann, den ich liebe, ist ein Werwolf, dachte die junge Frau. Womit habe ich das verdient, und womit hat er es verdient? Oh, wie entsetzlich.
    Sie sträubte sich nicht, als Filomena sie aus dem Rittersaal in das kleine Esszimmer führte und ihr dort ein Glas Wein einschenkte. Francesca trank von dem herben Rotwein. Ein Werwolf, dachte sie wieder. Die alten Frauen in San Clemente haben recht mit ihrem Gemunkel. Ich hielt sie für abergläubische Närrinnen, aber ich bin die Närrin gewesen. Sie erinnerte sich an die blutigen Kleider.
    Wen, fragte sie sich, mag Ricardo nur umgebracht haben?
     
    *
    Francesca umklammerte das silberne Kreuzchen, ein Erbstück von ihrer Großmutter.
    »Was raten Sie mir?«, fragte sie Filomena.
    »Wollen Sie das Schloss verlassen?«
    »Nein«, antwortete Francesca nach kurzem Überlegen. »Ich will eine Aussprache mit Ricardo, sobald er wieder ansprechbar ist.«
    »Das kann zwei, drei Tage dauern.«
    »Macht nichts.«
    Francesca fragte, wer Ricardo di Lampedusas erste Frau umgebracht hatte. Filomena meinte, das sollte Ricardo ihr selber erzählen und befahl ihr, sich in ihr Zimmer zurückzuziehen, sich dort einzuschließen, ganz ruhig zu sein und erst einmal abzuwarten.
    »Je weniger Sie sich bemerkbar machen, umso besser ist es. Ich habe eine über fünfunddreißigjährige Erfahrung mit Ricardo und weiß, wie man ihn behandeln muss. – Vertrauen Sie mir.«
    Die beiden Frauen schauten sich an. Francesca nickte. Kurz darauf saß sie in dem einen ihrer beiden Zimmer und versuchte gefühlsmäßig zu verkraften, was sie an dem Tag erfahren hatte. Es war sehr schlimm für sie. Schließlich hatte sie Ricardo heiraten wollen – oder wollte sie es noch? Francesca war innerlich hin und her gerissen. Mal hatte sie Mitleid mit Ricardo, dann wieder spürte sie heißen Zorn.
    Warum hat er mir das nicht gesagt, überlegte sie? Doch selber konnte sie sich diese Frage nicht beantworten. Das war Ricardos Sache. An diesem Abend speiste Francesca allein. Es war ein einsames, trauriges Dinner. Der Vollmond schien strahlend vom wolkenlosen Himmel. Ricardo war in seinem Zimmer eingeschlossen. Kein Geräusch drang heraus. Nach dem Abendessen zog sich Francesca sofort in ihre Zimmer zurück. Sie versuchte, ein Buch zu lesen, aber sie konnte sich nicht konzentrieren.
    Nachdem sie dreimal angefangen hatte und auf Seite drei nicht mehr wusste, was auf der ersten Seite gestanden hatte, gab sie es auf. Statt zu lesen hörte sie klassische Musik,
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