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Die Werwolfbraut (German Edition)

Die Werwolfbraut (German Edition)

Titel: Die Werwolfbraut (German Edition)
Autoren: Earl Warren
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sperrte sie auf, ein Schloss nach dem andern.
    Dann drehte sie den Türknauf, immer bestrebt, ja keinen Laut zu verursachen. Langsam und vorsichtig öffnete die junge Frau im seidenen Sommerkleid die schwere, auf der Innenseite gepolsterte Tür. Dem Gewicht nach zu urteilen, musste die Tür einen Stahlkern haben. Lautlos drehte sie sich in den Angeln. Francesca schlüpfte hindurch.
    Ihr Herz hämmerte bis zum Hals, und sie bildete sich ein, es müsste im ganzen Zimmer zu hören sein. Bup-bup-bupbup-bup. Doch nichts regte sich. Francesca ließ die Tür angelehnt. Sie wartete, bis ihre Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Ein strenger Geruch herrschte im Zimmer, irgendwie tierisch, anders jedenfalls, als man es in einem menschlichen Schlafzimmer erwarten sollte. Francesca schaute sich um.
    Durch die Ritzen zwischen den Brettern vorm Fenster fielen ein paar Lichtstrahlen herein. Staubkörnchen tanzten in diesen Lichtstrahlen und glitzerten. Die Schlafkammer war spartanisch eingerichtet: ein Schrank, Kommode, Waschschüssel, alter Spiegel, Stuhl, Tisch, Bett und der Nachttisch. Ein Teppich bedeckte den Boden. Die Wände waren mit einer goldenen und dunkelroten Tapete tapeziert und bis auf ein kleines gerahmtes Bild kahl.
    In der Ecke lagen zusammengeknüllte Kleider. Francesca hörte ein Seufzen. Sie sah eine dunkle Gestalt bäuchlings auf dem Bett ausgestreckt liegen. Als sie nähertrat, erkannte sie Ricardo. Das Laken bedeckte ihn bis zur Taille. Sein Oberkörper war nackt. Er atmete tief und regelmäßig.
    Soweit Francesca es feststellen konnte, schien mit ihm alles in Ordnung zu sein. Die junge Frau beugte sich über ihn. Am liebsten hätte sie ihm über das volle Haar gestrichen, unterließ es jedoch, um ihn nicht zu wecken. Er sollte nicht merken, dass sie sich in sein Zimmer geschlichen hatte.
    Francesca hauchte ihrem Geliebten einen Kuss zu. Dann ging sie in die Ecke und schaute sich die unordentlich dort liegenden Kleidungsstücke an. Trotz der schlechten Beleuchtung sah sie, dass Blutflecke daran hafteten. Francesca wusste nicht, was sie davon halten sollte.
    Plötzlich fühlte sie sich beobachtet. Als sie sich umwandte, hatte Ricardo – oder vielmehr die Gestalt im Bett – sich aufgesetzt und die Augen geöffnet. Francesca stieß einen gellenden Schrei aus. Sie konnte ihn nicht unterdrücken. Denn Ricardos Gesicht, das sie zuvor nicht gesehen hatte, war behaart. Und seine Augen leuchteten die glühende Kohlen.
    Langsam stand er auf und kam auf Francesca zu. Ein grollendes Knurren drang tief aus seiner Brust. Francesca konnte dem Schrecken nicht länger standhalten. Sie warf dem Werwolf die blutigen Kleider ins Gesicht und stürzte aus der Tür.
    Wuchtig warf sie sie zu. Der Werwolf sprang gegen die Tür, dass es krachte. Als sie wegrannte, den Korridor entlang, hörte Francesca, wie er an der Tür kratzte und die Polsterung herunterriss. Dann trommelte er mit den klobigen Fäusten gegen die Tür und heulte, dass es im Schloss schaurig widerhallte.
    Francesca rannte den Korridor entlang. Sie schaute über die Schulter, doch noch hatte der Werwolf die unverschlossene Tür der Schlafkammer nicht aufgerissen. Es war wie in einem Alptraum, wenn man träumte, wegrennen zu wollen und an der Stelle klebte. Der Korridor schien endlos lang zu sein.
    Jetzt wurde die Tür geöffnet. Im Tageslicht sah Francesca, über die Schulter zurückblickend, den Werwolf erscheinen. Der Körper war der Ricardos, halbnackt bis auf die Hose. Doch der Kopf war der Schädel eines Ungeheuers. Die Bestie fletschte die Zähne. Sie rannte aufrecht hinter Francesca her, die die Treppe erreichte und hinunterrannte.
    Der Werwolf verfolgte sie. Er brüllte und knurrte. Bei Tag hatte er sich nicht völlig verwandelt, war aber gefährlich genug. Francesca erreichte die Halle. Der Werwolf fegte die Treppe herunter.
    »Francesca!«, rief er mit heiserer, kaum zu verstehender Stimme. »Ich habe dich zum Fressen gern.«
    Dazu heulte er schaurig. Als er Francesca packen wollte, warf sie ihm erst eine und dann eine zweite Ritterrüstung in den Weg. Es klirrte und schepperte, als die zur Dekoration aufgestellten Rüstungen hinfielen. Der Werwolf stolperte über die eine Rüstung, packte sie und warf sie gegen die Wand, dass es krachte. Francesca lief weiter, von der blanken Todesangst getrieben.
    Der Werwolf verfolgte sie. Die Neunzehnjährige flüchtete sich in den Rittersaal und verriegelte von innen die Tür. Der Werwolf hämmerte dagegen.
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