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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere
Autoren: Marina Lewycka
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Philpott, der Hausmeister, in seinem braunen durchgeknöpften Overall. Geheimnisvoll grinsend kommt er auf sie zu und hält ihr ein großes, in braunes Packpapier gewickeltes Paket hin.
    »Ta-daah!«
    »Ist das für mich?«
    Sie reißt das Papier auf. Darin befindet sich eine kleine, durchsichtige Plastikkiste mit Luftlöchern, in der sich ein rötlichbraunes flaumiges Etwas zum Schlafen eingerollt hat. In einem Ansturm der Gefühle spürt sie, wie ihre Wangen rot werden.
    »Warum ...?«
    »Um den kleinen Rabauken Güte und Verantwortung beizubringen.Wie der Rektor gesagt hat. Der Kleine kann hier im Klassenzimmer wohnen. Am Wochenende kümmere ich mich um ihn.«
    Vage erinnert sie sich, dass Mr. Gorst/Alan mal so etwas in einer Lehrerkonferenz sagte, und sie die Idee bei sich sofort verworfen hatte. (Debakel um toten Hamster – Lehrerin verhaftet.)
    »Ich ... ich glaube nicht, dass ich ihn behalten kann.« Ihr Herz schlägt so laut, dass sie überzeugt ist, Mr. Philpott kann es hören. »Ich habe mit Haustieren schlechte Erfahrungen gemacht.«
    Mr. Philpott sieht sie geknickt an. »Ich dachte, Sie würden sich freuen, Erzchen.«
    Der Flaumball bewegt sich. Winzige rosa Pfötchen striegeln zitternde Barthaare. Zwei helle Augen werden aufgeschlagen. Er ist herzzerreißend süß. Wohlmeinende Menschen wie Mr. Philpott und Mr. Gorst/Alan denken, dass die Hege von Haustieren Kinder Güte und Verantwortung lehrt, doch Clara weiß, die eigentliche Lehre ist, wie unsicher das Leben und wie unausweichlich der Tod ist.
    »Das tue ich ... nur ... Hat er einen Namen?«
    »Amlet der Amster.«
    »Ein toller Name. Aber ... Hamlet ist jung gestorben!«
    »Er hatte auch familiäre Probleme, nicht? Aber der hier schläft bloß die ganze Zeit.«
    Die kleine Kreatur hat sich wieder eingerollt und ist eingeschlafen.
    »Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen / Wenn wir des Amsters Verstrickung lösten.«
    »Damit ist der Tod gemeint.«
    »Ach so, und ich hab mich immer gefragt, wovon er redet. Ich hab das Stück am Civic Theatre gesehen, zweimal. Aber danach wusste ich immer noch nich mehr. Hab mir sogar das Buch gekauft.«
    »Ihr Heizungskeller ist ein Schrein der Bildung und Kultur in dieser rohen Welt, Mr. Philpott.«
    »Ach, wenn ich noch mal anfangen könnte, würd vielleicht noch ’n Intellektueller aus mir werden, wie Sie.«
    Als er fort ist, stellt Clara den Hamsterkäfig auf die Fensterbank, holt das Telefon aus der Tasche und sucht Serges Nummer heraus. Der kleine, zusammengerollte rötliche Geselle hat Erinnerungen geweckt.
    Serge ist oft wochenlang wie vom Erdboden verschluckt, aber diesmal ist er nach dem ersten Klingeln am Apparat.
    »Serge Free.«
    »Ich weiß, dass du es bist, du kleiner Wicht. Bist du mir aus dem Weg gegangen?«
    »Clarie! Warum sollte ich so was tun?«
    »Hat Doro schon mit dir über die anstehende elterliche Vermählung gesprochen?«
    »Ja, sie war heute in London.«
    Merkwürdig, Serge ist doch in Cambridge und schreibt an seiner Doktorarbeit. Er murmelt etwas von Zusammenarbeit mit einem Mathematik-Team am University College, dann fängt er an von einer Auseinandersetzung mit einer Frau in pinken Leggings zu erzählen, bei der es um einen Hundehaufen ging. Ihre Mutter scheint mit dem Alter immer exzentrischer zu werden.
    »Du Armer. War es sehr peinlich? Haben euch alle angestarrt?«
    »Nur ein bisschen.«
    »Weißt du noch, als du im Park hingeflogen bist und von oben bis unten voll mit Hundekacke warst? Du hattest sogar welche in den Haaren. Doro ist total durchgedreht.«
    Als Kind ist Serge bei jeder Gelegenheit auf die Nase gefallen. Doro hat ihn als Dyspraktiker bezeichnet und sich ernsthaft Sorgen gemacht.
    »Ja, ich erinnere mich. War es nicht Freud, der gesagt hat, Scheiße ist die Traummetapher für Geld?«
    »Mit Hundekacke zum Reichtum! Das Geheimnis der Milliardäre ist gelüftet.«
    »Vielleicht ist da sogar was dran.«
    »Bleib auf dem Teppich, Serge.« Er ist fast so verrückt wie Doro. »Jedenfalls will sie, dass wir die Kommunenkinder von damals zusammentrommeln. Aber ich habe alle Hände voll zu tun mit unserem Stand für den Gemeindetag an der Schule. Ich muss so einer blöden Recyclingfirma hinterhertelefonieren.«
    Sie erzählt ihm von ihren Problemen mit Syrec und von Doros merkwürdigem Brief. Er brummelt unterstützend ins Telefon.
    »Ich habe bei Facebook nachgesehen, aber anscheinend ist keins der Solidarity-Hall-Kinder da angemeldet«, sagt sie.
    »Tosser und Kollon
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