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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere
Autoren: Marina Lewycka
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die Tierhandlungen abzuklappern. Es gab nur zwei, das Abklappern dauerte also nicht lange. In der ersten Tierhandlung gab es bloß einen einzigen Hamster, einen Albino, dick und weiß und mit rosa Augen. In der anderen gab es vier, die sehr süß waren, braungrau gestreift, doch auch sie sahen ganz und gar nicht wie Fizzy aus. Clara heulte wieder los.
    »Vielleicht gibt es noch eine Tierhandlung in Rotherham«, sagte Nick.
    Aber die Hamster in Rotherham waren noch ganz kleine Babys.
    Unbeirrt fuhren sie nach Sheffield weiter, und Clara und Serge zankten sich auf dem Rücksitz, den leeren Käfig zwischen sich. Clara wollte, dass Serge zugab, Fizzy getötet zu haben, und sich entschuldigte, aber er gab nicht mal zu, dass der Hamster wirklich tot war. Er haute sie immer wieder über den Käfig hinweg, so dass sie zurückhauen musste.
    Irgendwann hielt Nick, der eigentlich ein ausgeglichener Typ war, an einer Parkbucht und schrie: »Wenn ihr nicht sofort aufhört, könnt ihr aussteigen und zu Fuß nach Hause gehen!«
    In Sheffield fanden sie endlich einen Hamster mit der gleichen rötlichbraunen Farbe wie Fizzy, sogar in der gleichen Größe und mit dem gleichen weißen Pelz am Bauch. Nur der schwarze Fleck auf der Nase fehlte.
    »Der ist nicht gut!«, heulte Clara und stampfte mit den Füßen.
    Nick sagte: »Du wirst sehen, keiner merkt den Unterschied.«Fizzy wurde in einer Papiertüte im Garten begraben.
    Später schlich sich Clara heimlich hin und grub ihn wieder aus – um nachzusehen, ob er schon in den Himmel gekommen war. Aus der Schule wusste sie, dass man in den Himmel kam, wenn man brav gewesen war. Aber er war noch da.
    Da musste sie noch mehr heulen.
    Am Montag nach den Ferien brachte Clara den neuen Hamster im Käfig in die Schule mit und überreichte ihn der Lehrerin, die ihn ohne genauer hinzusehen auf den Naturkundetisch stellte. Keins der anderen Kinder reagierte. Clara seufzte erleichtert auf. Dann aber meldete sich das Mädchen, das vor ihr mit dem Hamster dran gewesen war.
    »Bitte, Miss, das is der falsche Hamster.«
    Sie war eine dünne, sommersprossige Göre aus einer Großfamilie mit lauten Tanten, knallharten Onkeln und fies aussehenden Vettern, die alle in den Prospects lebten, einem Gewirr baufälliger Reihenhäuser in der Nähe der Schule.
    »Gar nicht wahr!«, hielt Clara dagegen. »Man sieht überhaupt keinen Unterschied.«
    »Doch, weil, der andere hatte ’n schwarzen Klecks auf der Nase«, rief das Mädchen.
    Am nächsten Tag lauerten drei ihrer Vettern Clara nach der Schule auf. Sie nannten sie Mörderin, schubsten sie herum, zogen sie an den Haaren und klauten die roten Sternhaarspangen, die Moira für sie gemacht hatte. Jen, die zu spät zum Abholen kam, bekam von all dem nichts mit. Als das Mädchen am nächsten Tag zur Schule kam, trug sie statt ihrer alten rosa Gänseblümchenspangen Claras rote Sternhaarspangen im mausbraunen Haar. Clara sah es sofort, aber sie hielt den Mund.
    Sonst fiel es niemandem auf.

Serge
    Chicken
    »Wer ist alte Frau, mit der du heute getroffen, Sergej?«, fragt Maroushka und tritt neben seinen Schreibtisch.
    »Welche alte Frau?«
    »In Café Rouge. Hab ich euch gesehen!«
    »Das war nur ... eine Freundin ... eine freundliche Zahnärztin.« (Entschuldige, Mum!)
    »Hey, du kennst verrückte Leute.«
    »Ja. Aber was hast du eigentlich da gemacht, Baby? Lass mich raten – ein Stelldichein mit einem heimlichen Liebhaber?«
    »Du hast sehr witzige Ideen, Sergej. Psst! Da kommt Chicken!«
    Sie hebt einen rot lackierten Finger, und als er ihrem Blick folgt, sieht er, dass am Eingang des Handelsraums ihr Boss aufgetaucht ist.
    Trotz seines Spitznamens ist Ken Porter, Senior Partner der FATCA, ein attraktiver, muskulöser Mann, der mehr von einem Dobermann als von einem Huhn hat, ein ausgewachsener Jagdhund mit scharfen weißen Zähnen, glänzendem schwarzem Haar und schnellen blitzenden Augen. Auch wenn er mit Mitte fünfzig seine Blütezeit überschritten haben muss, strahlt er immer noch eine testosterongeladene animalische Kraft aus, die ihn, so wird gemunkelt, für Frauen unwiderstehlich macht. Sein Büro ist ein Leder-und-Mahagoni-Schrein der Golftrophäen, Hochflorteppiche und Anlagekunst im Stil einesenglischen Herrenclubs, im obersten Stock des Stahl-und-Glas-Turms der FATCA, wo die Seniorpartner Kunden empfangen, die so wichtig sind, dass sie nur unter ihren Initialen oder Kontonummern laufen.
    Serge war erst einmal dort oben, am Tag seines
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