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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen
Autoren: Wolfgang Seidel
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Kontinenten nie Getreide aus Wildgräsern domestiziert – außer Mais.
    Wenige Sätze skizzieren einen Prozess, der sich im Fruchtbaren Halbmond etwa 3000 Jahre lang hinzog, mit verschiedenen Phasen in verschiedenen Regionen, bis die Sesshaftigkeit und der Ackerbau vollständig ausgebildet waren. Eine der Voraussetzungen dafür war die Ausrottung der damals in der Levante zahlreichen Gazellen, die nur zu gerne die ersten schütteren Äcker abgegrast hätten.
    Im Vergleich zum Sammeln und Jagen ist der Getreideanbau Schwerstarbeit, die legendäre Kainsarbeit »im Schweiße des Angesichts«. Roden, Unkraut jäten, Steine vom Feld auflesen, Düngen, Bewässern und Pflügen wird Pflicht der Männer geworden sein, während den Frauen der häusliche Bereich zugeteilt wurde, wo auch sie schwere Arbeit leisteten. Denn nach der Ernte mussten sie das Getreide dreschen, mahlen und sieben, bevor sie es mit Wasser zu Brei verrühren oder als Teig zu Fladen backen konnten. Darüber hinaus sammelten sie Wissen um die Vorratshaltung, damit das Getreide nicht verdarb. Gebrannte Tongefäße zur Aufbewahrung von Lebensmitteln – ebenfalls ein eminenter technologischer Fortschritt – standen in der ganz frühen Phase noch nicht zur Verfügung. Der Anbau von Getreide und anderen Feldfrüchten bedarf der Einarbeitung in den Boden, der Pflege, des Abwartens für die Reife und der Beobachtung für den richtigen Zeitpunkt der Ernte. Cultura , »Pflege des Ackers«, ist die ursprüngliche Bedeutung des lateinischen Wortes. Cultura ist mit nomadischer Lebensweise nicht vereinbar.
    Damit setzte die sogenannte Neolithische Revolution oder besser Neolithische Transformation ein, die sich über ein paar tausend Jahre erstreckte und wie eine sich ausbreitende Welle immer weitere Kreise zog – nach Mittelasien, Nordafrika und Europa. Der um 9000 v. Chr. für mehrere Jahrhunderte besiedelte Hügel von Tell Aswad, nicht weit entfernt von Damaskus, gilt als die früheste nachgewiesene dauerhafte Siedlung der jungsteinzeitlichen Ackerbauern im Fruchtbaren Halbmond. Hier gab es neben Steinwerkzeugen und Steinwaffen auch geflochtene Körbe, Webwaren und Tonfiguren. Ein solcher Ort konnte nur auf der Grundlage einer schon viel länger gepflegten Getreidewirtschaft entstehen. Das Gebiet um Göbekli Tepe in Südanatolien, wo Wildbeutergemeinschaften schon um 13000 v. Chr. eine sensationelle Tempelanlage errichteten, entwickelte sich in den folgenden drei Jahrtausenden ebenfalls zu einem der Zentren frühesten Ackerbaus, mit Sicherheit seit der Zeit vor 9000 v. Chr. Der nahe gelegene Vulkan Karacadaǧ gilt Paläobotanikern nach neueren Forschungen als die botanische Heimat des Einkorns. Jericho im Jordantal, die älteste kontinuierlich bewohnte Stadt der Welt, wurde um diese Zeit besiedelt. Um 8000 v. Chr. gab es dort bereits Stadtmauern.
    Zur Neolithischen Revolution gehört natürlich auch die Domestizierung anderer Pflanzen und der Nutztiere. Auf dem Speiseplan der Jungsteinzeitler im Nahen Osten standen die proteinreichen Hülsenfrüchte Kichererbsen, Erbsen, Bohnen, Linsen sowie Kohl. Dazu ein bisschen Fleisch und Milch und etwas eingesammeltes Obst. Dieses Menü servierten sich dann auch die Bandkeramiker, die ersten Ackerbauern in Mitteleuropa ab circa 5500 v. Chr.
    Ungefähr 2000 Jahre nach den Menschen in Nahost hatten die Menschen am Mittellauf des Gelben Flusses und am Jangtsekiang in China die gleichen Ideen. Sie begannen mit der Kultivierung von Hirse (in Nordchina) und Reis (in Südchina) und legten damit auch dort die Grundlagen für – zunächst kleinräumige – neolithische Kulturen.
    Das Revolutionäre an der langsam fortschreitenden Neolithischen Revolution war, dass es gelang, mehr Energie für Mensch und Tier aus dem vorhandenen Boden zu gewinnen. Ein solcher Quantensprung gelang nur noch einmal: mit der Nutzung der Dampfkraft und der fossilen Brennstoffe in der Industriellen Revolution seit 1776 n. Chr.
    Die Ausbreitung des Ackerbaus in Nahost und Anatolien schufdie Voraussetzungen dafür, mehr Menschen zu ernähren. Aus dörflichen Siedlungen entwickelten sich so nach Jahrtausenden Großsiedlungen, erste Städte mit Arbeitsteilung und – eine folgenreiche Entwicklung im Orient – Herrschaftssystemen. Die ersten größeren Kornkammern aus Lehmziegeln finden sich um 9000 v. Chr. im Jordantal. Manche Gemeinschaften mussten sich alsbald durch Befestigungsanlagen verteidigen.
    Um 7500 v. Chr. hatte die Ackerbaukultur auch die
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