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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen
Autoren: Wolfgang Seidel
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orientalischen Küche Couscous gemacht wird. Die beiden älteren Weizensorten Einkorn und Emmer begnügen sich mit relativ anspruchslosen Böden. Der Weizen für unser Weißbrot entstand durch die Kreuzung von Emmer mit einem anderen Wildgras ( Triticum tauschii ) in der Gegend zwischen Kaspischem Meer (Persien)und Schwarzem Meer (Türkei), etwa im historischen Armenien und dem heutigen Kurden-Gebiet.
    Dieser sogenannte Nacktweizen ist der Weizen, den wir heute kennen. Er ist ein anspruchsvolles Getreide hinsichtlich Boden und Klima. Der Südwesten im weiteren Umfeld von Bodensee und Rheintal kannte also in unseren Breiten als Erster den Nacktweizenanbau und bildete dann auch bis ins Mittelalter dessen (Anbau-)Schwerpunkt.
    Weizen liefert das weiße Mehl und heißt deswegen so (»Weizen« = »weiß«). In diesem Sinne ist auch die Bezeichnung im Englischen ( wheat ) und Französischen ( blé =»das Bleiche«) zu verstehen. Weißbrot aus Weizenmehl wurde bereits von den alten Ägyptern in Backöfen gebacken. Bei ihnen kamen die Römer auf den Geschmack von feinem Weißbrot.
    Eine Kulturgeschichte des Brotes müsste im Grunde eine Kulturgeschichte des Backofens sein. Zwar konnte man schon sehr früh zähen Getreidebrei auf heißen Steinen zu Fladenbroten verarbeiten, aber der Verzehr von gebackenem Brot war seit der Erfindung des Ofens schon in den bronzezeitlichen Hochkulturen, zu denen Ägypten zählt, ein Privileg der wohlhabenden Oberschicht und damit ein wichtiges soziales Unterscheidungsmerkmal.
    Die Römer hatten sich in den Punischen Kriegen gegen die Karthager im dritten Jahrhundert v. Chr. wichtige Weizenanbaugebiete gesichert. Sizilien, Nordafrika und Ägypten, damals klimatisch noch viel begünstigter, da nicht so trocken, wurden die Kornkammern des Römerreichs. Die Römer forcierten später den Weizenanbau nicht nur im Mittelmeer; auch in Pannonia (Ungarn), Belgica und Gallia dehnten sie den Anbau aus. Wie heute die Franzosen mit ihrem omnipräsenten Baguette (natürlich ein Weizenprodukt) waren die Römer auf Weißbrot versessen. Sie verschafften dem anspruchsvollen und natürlich auch sehr nahrhaften Getreide seinen ersten Rang, obgleich die Bedeutung des Weizens im Mittelalter erst einmal wieder zurückging.
    So blieb es bis in die frühe Neuzeit: Die Masse der Bevölkerung nahm bis ins 18. Jahrhundert Getreide überwiegend in Form von Brei zu sich, die Herrschaften aßen (Weizen-)Brot. Die Luxusspeise der Wohlhabenden genoss das höchste Ansehen.
    Die Masse der bäuerlichen Bevölkerung aß im Mittelalter hauptsächlich Getreidebrei aus Hafer und Hirse, neben Bohnen und anderen Hülsenfrüchten, den wichtigen Proteinlieferanten. Um 1500 verbrauchten die Menschen als Nahrungsmittel fast ausschließlich Getreide: Brot (180 Kilogramm) und Bier (180 Liter). Etwas Fleisch (26 Kilogramm), Butter, Käse und Eier kamen hinzu. Alles andere wie Gemüse und Früchte gab es nur in verschwindend geringen Mengen. Was bei Obst und Früchten auch damit zu tun hat, dass es manche gezüchteten Sorten – etwa Gartenerdbeeren – noch nicht gab; ebenso wenig die exotischen Kolonialfrüchte.
    Daher der überragende Stellenwert des »täglichen Brots« und die Abhängigkeit der Menschen von den Getreideernten. Hungersnöte bei Missernten waren bekanntlich keine Seltenheit – bis weit ins 19., ja ins 20. Jahrhundert hinein. Rund 80 Prozent seines Einkommens musste ein durchschnittlicher Haushalt in der Renaissancezeit für Nahrungsmittel aufwenden; heute sind es lediglich 15 bis 20 Prozent – bei einem unendlich vielfältigeren Angebot. Der Rest ging für Heizen, Kerzen und Lampenöl drauf. Für andere Dinge wie Kleidung blieben nur fünf Prozent.
    Das Brotbacken wurde in Europa, vor allem in Mitteleuropa, erst nach dem Dreißigjährigen Krieg üblich. Die putzigen, fast schon märchenhaften Darstellungen und Vorstellungen von allgegenwärtigen Mühlen und Bäckereien auf dem Land stammen erst aus der frühen Neuzeit. Nur Weizen eignet sich wegen seines hohen Kleberanteils im Mehl überhaupt zum Backen. Ähnliches gilt für den Roggen, aus dem man aber beispielsweise schon keinen Kuchen mehr bäckt. Gerste ist nur schlecht dazu geeignet, Hafer wegen seines geringen Kleberanteils so gut wie gar nicht.
    Kuchen, so wie wir ihn in der Gegenwart als süßes Feingebäckkennen, kam erst im 18. Jahrhundert auf, als allmählich ausreichend Zucker zu erschwinglichen Preisen auf den Markt kam (siehe das Kapitel
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