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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen
Autoren: Wolfgang Seidel
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einjährig. Man kann sie im gleichen Jahr ernten, in dem sie angepflanzt werden. Die Vegetationszeit des Weizens beträgt 120 bis 150 Tage. Reis wächst unter günstigen Bedingungen sogar noch schneller, daher kann man auf einer Anbaufläche bis zu drei Ernten jährlich einfahren. Selbst der vergleichsweise riesige Mais oder das Zuckerrohr wachsen innerhalb einer Vegetationsperiode. Manche Sträucher und viele Obstbäume tragen dagegen erst nach einigen Jahren Wachstum Früchte.
    Die Wirtschaftsgeschichte der Menschheit ist in ihren Anfängen beinahe identisch mit der Geschichte des Getreideanbaus. Ohne die Kultivierung von Weizen und Gerste im Nahen Osten, ohne Hirse und Reis in China und ohne die Maiszüchtung in Mittelamerika gäbe es keine Zivilisationen. Die Steigerung der Ernteerträge ist angesichts der Bevölkerungsexplosion in den vergangenen 200 Jahren von zwei auf heute sieben Milliarden mit weiter steigender Tendenz ein Thema einer hochspezialisierten Agrarindustrie.
    Vor etwa 70000 Jahren begann der Homo sapiens aus Afrika auszuwandern. Sapiens-Gruppen schweiften am Südrand des eurasischen Kontinents entlang, sehr früh schon bis nach Australien. Um 40000 v. Chr. war der Homo sapiens in Europa angekommen; die spektakulären Höhlenzeichnungen in Südfrankreich und die Kunstwerke auf der Schwäbischen Alb (um 35000 v. Chr.) zeugen davon. Allein das sind unvorstellbar lange Zeiträume, gemessen an unserer bekannten und sicher datierbaren Geschichte seit der Antike, die gerade einmal 3000 Jahre zurückreicht.
    Auf die Einwanderung vom Homo sapiens nach Eurasien folgten weitere, sehr frostige Vereisungsphasen mit einem mehrtausendjährigen Kältemaximum der Würm- und Weichseleiszeit vor rund 20000 Jahren. Erst danach wurde auch der amerikanische Kontinent besiedelt.
    Mit dem Ende dieser letzten Eiszeit erwärmte sich die Erde in nur 3000 Jahren zwischen 17000 und 14000 v. Chr. verhältnismäßig rasch. So entstand vom 20. bis zum 35. nördlichen Breitengrad in Eurasien vom Mittelmeergebiet bis zum Vorderen Orient, Nordindien und Südchina ein klimatisch besonders begünstigter Streifen. Ähnlich in Mittelamerika. In diesem Streifen verwandelten die Menschen in einigen Regionen mit besonders großer Artenvielfalt Wildpflanzen in Kulturpflanzen.
    Erstmals ab 12000 v. Chr. kamen Menschen in der Gegend von Südostanatolien, Nordsyrien und im Jordantal, im sogenanntenFruchtbaren Halbmond, darauf, aus Wildgräsern immer größere Samenkörner zu schütteln und mit primitiven Geräten wie Knochenhacken in die Böden einzuarbeiten. Da man davon ausgeht, dass in den uralten Wildbeutergemeinschaften die Männer für das Jagen, die Frauen für das Sammeln der Früchte, Knollen und Wurzeln zuständig waren, entwickelten sich der Anbau und die Bearbeitung der Gräser zur Frauensache. Das spiegelt sich in den religiösen Vorstellungen der Mutter-Erde-Gottheiten wider – vereinfacht gesagt: Die Erde wurde wegen ihrer Fruchtbarkeit geheiligt.
    Die Frauen mögen auf den Gedanken gekommen sein, die größten Körner der Wildgräser aufzuheben und im nächsten Jahr für die Saat zu verwenden. Das war die nächste zündende Idee nach dem bloßen Einsammeln und Vermahlen in halb-sesshafter Lebensweise. So wurden aus Wildpflanzen gezüchtete Kulturpflanzen. Die ersten Menschen, denen man diese Idee heute zuschreibt, gehörten zur Natufi-Kultur, benannt nach dem Fundplatz Wadi an-Natuf im Jordantal, heute auf palästinensischem Gebiet. Man vermutet in ihnen Zuwanderer aus Ostafrika. Wadi an-Natuf liegt im Zentrum eines »Kulturgebiets«, das sich vom Gaza-Streifen und Toten Meer im Süden bis an den Oberlauf des Euphrat im heutigen Syrien erstreckte.
    Ein entscheidender Faktor bei der Kultivierung von Weizen und anderen Getreidearten war die Züchtung derjenigen Pflanzen, bei denen die ausgereiften Körner nicht gleich vom Stängel fielen, wenn sie geschnitten wurden. (Das wäre der natürliche Weg für ihre Vermehrung). Man wollte die Garben aber mit nach Hause nehmen, um sie dort auszudreschen und nicht mehr die Körner mühsam einzeln vom Feld auflesen zu müssen. So konnte der Kulturweizen wiederum nur vom Menschen durch Aussaat vermehrt werden, nicht mehr auf natürliche Weise.
    Die Indianer Nordamerikas und die Indios Südamerikas, also alle amerikanischen Ureinwohner, hatten jedoch keine Sicheln. Hier wurden die Körner nur direkt durch Abschütteln eingesammelt.Weil die Sicheln fehlten, wurde auf beiden amerikanischen
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