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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen
Autoren: Wolfgang Seidel
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Nordwestecke Kleinasiens erreicht – Tausende von Jahren später bekannt als Standort von Troja, Pergamon und Konstantinopel. Hier, an der nördlichen Ägäis, bestand damals noch eine breite Landbrücke zwischen Kleinasien und der Balkanhalbinsel. Das heutige Schwarze Meer war noch ein Süßwassersee von deutlich kleinerem Ausmaß. Nach einer noch nicht ganz gefestigten Theorie geht man davon aus, dass um 6700 bis 6500 v. Chr. die heutige Meerenge am Bosporus durchbrach und sich in einer gewaltigen Sintflut ungeheure Salzwassermassen aus dem Mittelmeer ins dadurch entstehende Schwarze Meer ergossen. Möglicherweise ist das einer der realen Ausgangspunkte der sumerisch-biblischen Sintflut. Erwiesen ist, dass die von Ackerbauern bereits dicht besiedelten Ufergebiete um den See eilends geräumt wurden. Es waren die ersten Bauernsiedlungen in Europa aus der ersten Phase der Ausbreitung der Ackerbaukultur. Herkömmlicherweise erklärte man sich diese Ausbreitung auf den Balkan mit dem Übersetzen von Ackerbauern von Anatolien ins heutige Griechenland per Schiff in der nördlichen Ägäis. Aber solche Aktionen von größeren Menschengruppen mit Vieh und Hausrat erscheinen nach heutigem archäologischen Kenntnisstand ausgeschlossen. Derart seetüchtige, ausreichend große Wasserfahrzeuge dürfte es zu dieser Zeit in dieser Gegend nicht gegeben haben.
    Der erste kulturelle Schwerpunkt auf europäischem Boden bildete sich entlang der Nordküste der Ägäis in Thessalien, das heute in Mittelgriechenland liegt; aber von den Griechen war damalsnoch einige Tausend Jahre lang weit und breit nichts zu sehen. (Die ersten Hellenen wanderten erst um 2000 v. Chr., also 5000 Jahre später, ins heutige Griechenland ein.) Die frühen Ackerbauern zählen vielmehr zu den sogenannten altmediterranen oder alteuropäischen Völkern, die sehr lange vor den Europa kulturell prägenden Indogermanen wichtige zivilisatorische Grundlagen schufen. Die bekannteste, noch heute existierende, alteuropäische Gruppe sind die Basken. Andere waren die Etrusker, Georgier, Ligurer und Iberer, um nur solche zu nennen, die durch Landschaftsbezeichnungen nach wie vor bekannt sind.
    Die altmediterranen Menschen, die die Weizen- und Gerstenkultur rund um die Ägäis in der Westtürkei und auf dem Südbalkan von der Peloponnes bis zur Donau verbreiteten, hatten ihren Schwerpunkt rund um die Ägäis. Man weiß nicht, ob es sich um verschiedene Völker mit verschiedenen Sprachen oder um einen relativ einheitlichen Völkerverband handelte.
    Bis vor Kurzem war man sich nicht sicher, ob es nur einzelne Pioniere waren, die von Anatolien aus auf den Balkan einsickerten und die neue Agrartechnik und Lebensweise mitbrachten und sich mit lokalen Jägern und Sammlern vermischten, oder ob es sich um eine breitere Siedlerbewegung handelte. Die Annahme einer breiten Siedlerbewegung wurde aktuell (2011) durch den genetischen Nachweis bestätigt, dass alle europäischen Rinderrassen von nahöstlichen Rindern abstammen, also mitgeführt wurden.
    Diese Geschichte der Ausbreitung von Einkorn, Emmer und Gerste, zusammen mit einigen anderen Grundnahrungsmitteln und Nutztieren, bewegt sich in Zeiträumen, die noch lange vor dem Aufblühen der bronzezeitlichen Kykladenkultur oder der minoischen Kultur auf Kreta seit 3000 v. Chr. liegen.
    Die von der anatolischen Heimat wegen des Wasserschadens am Bosporus zunächst abgeschnittenen Altmediterraner in Thessalien sind die Träger der ersten alteuropäischen Kultur, der noch im 7. Jahrtausend v. Chr. beginnenden und über 1000 Jahre andauerndenSesklo-Kultur. Jene Menschen haben möglicherweise die Keramik in Europa erfunden, also das Brennen von Lehmgefäßen und von Lehmfiguren (für kultische Zwecke). Die ersten Gefäße wurden freihändig geformt, Töpferrad oder Töpferscheibe kamen erst später auf. (Töpfern und Tonbrennen wurde unabhängig davon auch in China erfunden; dort sogar noch früher.)
    Durch den Handel und das Vorrücken von Pionieren entstand ein Kulturaustausch über das Balkangebirge hinweg Richtung Donaubecken. Sesklo-Männer drangen durchaus auch mit Saatgut im Marschgepäck nach Norden vor und vermischten sich mit den dortigen Wildbeutern, die den agrarischen Kulturtransfer offenbar annahmen, weil sie dessen Vorteile erkannten. Im Donaubecken und am Nordrand des mittlerweile aufgefüllten Schwarzen Meeres entwickelten sich zwischen 6500 und 4500 v. Chr. teils nacheinander, teils zeitlich parallel die ersten
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