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Die Welt ist nicht immer Freitag

Titel: Die Welt ist nicht immer Freitag
Autoren: Horst Evers
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notiern«, später nur noch mit Trotz. Aber erst als Thomas anbot, mich um zwanzig vor acht mit dem Auto abzuholen, war ich gerettet. Thomas, der alte Schluffi, niemals würde der das schaffen. Er würde wie immer verschlafen irgendwann zwischen zehn und elf vor meiner Tür stehen. Ich würde verärgert sowas sagen wie: »Na, jetzt lohnt's auch nich mehr!«, dann Paula anrufen, ihr empört alles erklären, das Ganze wäre Thomas' Schuld und ich fein raus. Verschlagen kichernd nahm ich Thomas' großzügiges Angebot an.
    Der Umzugssamstag kam, und ich schlummerte wohlig eingehüllt in meinem Bett, bis mich Thomas herausklingelte. Genüßlich nahm ich den Hörer in die Hand, wählte Paulas Nummer und eröffnete: »Tut mir leid, Paula, aber Thomas, die Pappnase, ist erst jetzt gekommen, es ist immer dasselbe, ich…«, als sie mich unterbrach:
    - Kein Problem Horst, es ist zwanzig vor acht.
    Ich war entsetzt. Thomas war pünktlich? Fließt Wasser jetzt bergauf? Stunden, ja Tage hatte ich schon in irgendwelchen Cafes mit dem Warten auf diese notorische Schnarchnase verbracht. Aber kein einziges Mal war ich auch nur annähernd so sauer gewesen wie diesmal, da er zum erstenmal pünktlich war. In Thomas' Auto, auf dem Weg zu Paula, fragte ich ihn nach dem Grund für seine plötzliche Unzuverlässigkeit.
    - Weißt du Horst, ich hab mein Leben geändert. Den ganzen Tag nur rumschluffen, nix geregelt kriegen, die meiste Zeit nur vorm Fernsehn abhängen. Das war mir nix mehr.
    Na toll. Als ob mir das immer Spaß machen würde. Klar fällt einem das nicht immer leicht, aber so ist das Leben nunmal. Da muß man einfach durch. Der soll sich gefälligst zusammenreißen.
    Ich fragte ihn, wie er denn diese Veränderung hingekriegt hätte.
    Er lachte:
    - Ob du's glaubst oder nicht, mit einem dieser Psychoratgeber aus einer Zeitschrift.
    Er nestelte eine rausgerissene Seite aus seiner Jackentasche. Ich las:
    »10 kleine Psychotricks für ein erfolgreicheres und glücklicheres Leben!!!«
    Es ging los mit dem üblichen Blödsinn. »Sorgen Sie für ausreichend Licht in Ihrer Wohnung, achten Sie auf ein gepflegtes Äußeres, ernähren Sie sich bewußt, setzen Sie sich kurzfristig erreichbare Ziele…« Zeugs eben, ich dachte mir ein weltmännisches: Jajaja… und kam zu den konkreten Tips:
    »Überlegen Sie sich immer schon am Vorabend eine unangenehme Pflicht, die Sie am nächsten Tag erledigen werden. Machen Sie dies dann als erstes nach dem Aufstehen, und Sie werden verblüfft sein, wie Ihnen das Gefühl, schon etwas geschafft zu haben, Energie und Kraft für den ganzen Tag gibt.«
    Naja, das klang plausibel. Mehr Energie haben, bißchen mehr geregelt kriegen, etwas weniger fernsehn, so ganz schlecht würde mir das eigentlich auch nicht tun. Ich beschloß das Ganze gleich am Montag auszuprobieren. Mein Ziel sollte es sein, endlich mal das Küchenfenster zu putzen. Um sicherzustellen, daß alles gutgehen würde, befolgte ich auch noch den letzten Rat:
    »Formulieren Sie Ihr Ziel in einem Satz. Prägen Sie sich diesen Satz gut ein, und sprechen Sie ihn in kritischen Phasen plötzlicher Energielosigkeit zehnmal laut aus.«
    Montagmorgen, 9 Uhr, klingelt der Wecker. Schlage frisch und ausgeruht die Augen auf. Will aufstehn. Erinnere mich dann, muß als erstes Küchenfenster putzen. Habe plötzlich Angst vor dem Aufstehn. Werde schlaff und energielos. Will laut und deutlich l0mal sagen: »Ich werde mein Leben glücklicher und erfolgreicher gestalten und überhaupt mal irgendwie mehr geregelt kriegen, nich mehr soviel rumhängen.«
    Bei der siebten Wiederholung aber schlafe ich, vom Satzaufsagen erschöpft, überraschend nochmal ein.
    11.15 Uhr, wache erneut auf, bin diesmal cleverer und nutze die Phase des Satzaufsagens zum gleichzeitigen Aufstehn und Anziehn. Klemme Eimer unter den Wasserhahn und lasse Fensterputzwasser ein. Döse beim Einlassen des Wassers erneut weg, wache aber, als das Wasser über den Eimerrand schwappt und auf meine Hose läuft, schnell wieder auf. Hänge die nasse Hose in das Schlafzimmerfenster, damit sie im starken Wind schnell trocknet. Putze dann das Küchenfenster. Geht gut. Bin verblüffend schnell fertig. Denke: Mensch, is das auf einmal hell in der Küche. Mache das Küchenlicht aus und kann immer noch alles sehen. Bin beeindruckt. Fühle mich energetisch aufgeladen und spüre mächtige innere Zufriedenheit. Gutes Gefühl.
    Ein Windstoß erfaßt die Hose und schleudert sie nach draußen. Innere Zufriedenheit
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