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Die Welt ist nicht immer Freitag

Titel: Die Welt ist nicht immer Freitag
Autoren: Horst Evers
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bröckelt. Schimpfe fürs erste mal vor mich hin, bis mir auffällt, daß Portemonnaie und Wohnungsschlüssel in der Hose sind. Stürze unüberlegt aus der Wohnung und werfe Tür ins Schloß. Bemerke, wie ich so in meiner Unterhose auf dem Bürgersteig stehe, daß es Januar und sehr kalt ist. Der Wind hat meine Hose bis zur Kreuzung geschleudert. Laufe in meiner Unterhose zur richtigen Hose. Rufe währenddessen unaufhörlich: »Ich werde mein Leben erfolgreicher gestalten und überhaupt mal mehr geregelt kriegen.« Versuche, die mich dabei anstarrenden Passanten zu ignorieren, muß aber ständig an die Forderung: »Achten Sie auf ein gepflegtes Äußeres« denken. Erreiche die Hose. Bemühe mich während des Anziehens der nassen, jetzt auch dreckigen und leicht steifgefrorenen Hose, so normal wie nur möglich auszusehen. Bemerke, als ich die Hose anhabe, daß der Wohnungsschlüssel doch nicht in der Tasche ist. Fühle schon wieder kritische Phase plötzlicher Energielosigkeit in mir hochsteigen.
    Erinnere mich, daß sich Freunde immer über mein Wohnungsschloß lustig gemacht haben: »Dit solln Schloß sein, dit issn schlechter Witz, 99 von 100 Leuten haben das in fünf Sekunden mit nem stabilen Draht geknackt.« Werde wieder zuversichtlich. Klingel bei der Nachbarin, um mir stabilen Draht zu leihen.
    Die Nachbarin betrachtet lange den großen, feuchten Fleck auf meiner Hose, der sich in undefinierbaren Rändern vom Schoß aus über beide Hosenbeine ergießt. Sie sagt aber nix und gibt mir den Draht. Versuche, die Tür mit dem Draht in fünf Sekunden zu öffnen. Nach zehn erfolglosen Minuten gebe ich auf. Bin ein bißchen stolz: »Na, so schlecht ist das Schloß ja offensichtlich doch nicht.« Weine dann still in mich rein.
    Ein Mann kommt die Treppe hoch, fragt, ob er mir helfen kann. Sage: »Ich krieg die Tür nicht auf.« Er fragt, ob ich auch bestimmt in der Wohnung wohne. Zeige ihm meinen Personalausweis. Er betrachtet das Foto, bittet mich, den Fußabtreter kurz auf meinen Kopf zu legen, um Haare zu simulieren, nickt; vergleicht meinen Namen im Personalausweis mit meinem Namen an der Wohnungstür, nickt wieder; nimmt den Draht und öffnet innerhalb von drei Sekunden die Tür;
    Dann marschiert er in die Wohnung, postiert sich vor dem Fernseher und stellt sich vor:
    »Gestatten, Schulze, ich komm von der Gebühreneinzugszentrale, GEZ, Sie haben nicht angemeldete Fernseh und Radiogeräte in der Wohnung?«
    Ich murmel: »Ich werde mein Leben erfolgreicher und glücklicher gestalten und… «
    - Wie lange hamm Se den Fernseher schon?
    - Ääh, erst gestern gekauft.
    - Vorher hatten Sie keinen Fernseher?
    - Nein.
    Der GEZ-Mann lächelt süffisant, schaut auf die ca. 200 bis zum Rand voll aufgenommenen und beschrifteten Videokassetten und sagt:
    - Na, da hatten Sie letzte Nacht aber ganz schön zu tun, was? Na egal, ich denke, wir füllen denn mal gleich die Anmeldung aus, was?
    Verdammt, mache einen verzweifelten Versuch:
    - Sagen Sie mal, wie verdient man denn so als GEZ-Beauftragter?
    - Wie meinen Sie das? Wollen Sie mich bestechen?
    - Bestechen? Nein, um Gottes willen, natürlich nicht…
    - Ach so. Schade.
    Aha. Na denn. Lege 20 Mark auf den Schreibtisch und sage:
    - Hoppla, wo kommen die denn her? Kann das sein, daß Sie die hier verloren haben?
    - Unmöglich. Wenn ich schon mal überraschend Geld verliere, dann nie weniger als 200 Mark.
    Mist, soviel hab ich nicht da. Ich muß verhandeln.
    - Ich fürchte in diesem Haushalt können Sie momentan nicht mehr als 50 Mark verlieren.
    - Oh nee, dann verlier ich Ihr Geld lieber gar nicht. Aber Ihr Fernseher, den könnt ich mir vorstellen, hier verloren zu haben.
    Fünf Minuten später zieht er mit dem wiedergefundenen Fernseher von dannen. Freue mich über die gesparten GEZ-Gebühren, bin aber trotzdem nicht sicher, ob es wirklich ein guter Deal war. Überlege, ob mein Leben jetzt tatsächlich glücklicher und erfolgreicher ist? Naja, zumindest spricht schonmal einiges dafür, daß ich in nächster Zeit deutlich weniger Fernsehn gucken werde.
Das Wunder der Wrangelstraße
    Sitze in meiner Unterhose im Waschsalon und schaue meiner Wäsche beim Gewaschenwerden zu. Das ist ziemlich langweilig. Beschließe, mich demnächst endlich mal aufregender anzuziehen. Wenn meine Kleidung interessanter ist, wird's bestimmt auch spannender, ihr beim Gewaschenwerden zuzugucken. Ich überlege, wie es zu dieser Situation kommen konnte. Wo ich doch alles so durchdacht und umsichtig
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