Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Welt ist nicht immer Freitag

Titel: Die Welt ist nicht immer Freitag
Autoren: Horst Evers
Vom Netzwerk:
zehn Freunde weniger. Naja, so ist wenigstens wieder Platz für neue Freunde, oder für die Nummern von Ärzten.
    Mittlerweile ist es acht. Ich könnte nochmal Bov anrufen und wenn er rangeht, nix sagen und auch nicht atmen. Dann denkt er, ich sei schon tot und macht sich Vorwürfe. Der Gedanke gefällt mir, aber blöderweise kann ich seine Telefonnummer nicht finden.
    Vielleicht mal ins ARD-Morgenmagazin gucken, ob die was über meine Krankheit bringen. Vielleicht ist ja grad wieder Epidemie, nen Virus, Ebola oder so. Na das war was, dann hätt ich doch wenigstens Gewißheit. Im Morgenmagazin fällt kein Wort von einem Virus. Das heißt, sie wollen es wohl noch geheimhalten, damit keine Panik ausbricht.
    Oder, ich bin der erste Infizierte. Quasi der Erfinder eines ganz neuen Virenstamms. Der Horst Ebola-Virus, klingt nicht schlecht, Freunde nennen ihn einfach Hottenebo. Das würde mir gefallen. Ich muß gleich zur Ärztin, damit die das diagnostiziert und mir nicht noch ein anderer zuvorkommt und den ganzen Ruhm wegschnappt.
    Im Wartezimmer der Ärztin ist es sehr voll. Trotzdem nimmt sie mich sofort dran, denn ich bin ein Notfall. Die anderen Patienten gucken neidisch, als ich mich an ihnen vorbeischleppe. Damit sie nicht sauer werden, sage ich ständig: »Auauauau« und rufe laut: »Ich bin ein Notfall! Notfall!«
    Das beeindruckt sie schon. Die Ärztin betastet meinen Bauch und fragt, ob's weh tut. Ich will kein Risiko eingehen und schreie vorsichtshalber bei jeder Berührung. Ich mache meine Sache sehr gut, denn nach jedem lauten Schrei hört man ein Raunen aus dem Wartezimmer.
    Schließlich kommt die Ärztin zur Diagnose. Sie ist niederschmetternd.
    - Tja, sie hamm sich nen Virus eingefangen. Magen-Darm-Grippe.
    - Wie Magen-Darm-Grippe? Was soll das heißen?
    - Das heißt, das ich mit Ihnen als Patienten den Nobelpreis sicher nicht gewinnen werde. Gehn Sie nach Hause, legen Sie sich ins Bett, trinken Sie Kamillentee, dann ist das in zwei Tagen wieder gut.
    - Das ist alles?
    - Beinah, ihr Schmerzensschrei, als ich Ihnen die Stirn gefühlt habe, wegen Fieber, der war etwas zuviel.
    Ich bin enttäuscht. Vielleicht sollte ich noch einen Spezialisten hinzuziehen. Einen aus Amerika. Gehe ins Reisebüro. Erkundige mich nach Flügen in die USA. Die Reisebürofrau meint, sie glaubt nicht, daß meine Krankenkasse Direktflüge zu Magen-Darm-Grippen-Spezialisten in den Staaten zahlt. Verdammte Gesundheitsreform. Naja, kann man nix machen. Wo ich schon mal da bin, lasse ich sie auch noch gleich einen Blick auf meinen Bauch werfen. Sie denkt auch, das sieht aus wie ne Magen-Darm-Infektion. Naja, dann is ja vielleicht doch was dran.
    Den Rest des Tages verbring ich mit depressiven Schüben und Bauchschmerzen. Diese Schmerzen jedoch werden nicht weniger. Im Gegenteil, am nächsten Tag sind sie schlimmer denn je.
    Ich gehe erneut zur Ärztin, aber diesmal muß ich zwei Stunden warten. Eine Grippe ist kein Notfall. So schnell geht das mit dem sozialen Abstieg in Deutschland. Sie betastet wieder meinen Bauch, und ich spüre einen Schmerz, wie ich ihn bislang noch nicht kannte. Sie runzelt die Stirn.
    - Tja, vielleicht doch der Blinddarm, der muß raus.
    - Wie raus?
    - Sie müssen ins Krankenhaus. Operation, noch heute.
    - Operation? Die schneiden mir den Bauch auf und nehmen mir da Sachen weg?
    - So sieht's aus.
    Eine Blinddarmentzündung. Richtig dicke Post. Welche Freude. Ich war doch ernstzunehmend krank. Ich hätte ihr um den Hals fallen und sie knutschen können.
Ich war der Appendix
    Ein Taxi bringt mich zur Notaufnahme vom Urbankrankenhaus. Meine ernsthafte Blinddarmerkrankung hat mir neues Selbstbewußtsein verliehen. Stolz trete ich an den Aufnahmeschalter und sage:
    - Guten Tag, ich bin ein Notfall.
    - Ach was, wir sind hier die Notaufnahme, hier kommen nur Notfälle.
    Aha. Ich hatte verstanden. Hier wehte ein anderer Wind. Hier waren die Anforderungen höher. Von der normalen Ärztin in die Notaufnahme zu kommen, ist in etwa so, als wenn man von der Grundschule aufs Gymnasium kommt. Die Frau an der Aufnahme musterte mich.
    - Name?
    - Horst E…
    - Wohnort?
    - Berlin, Wr…
    - Telefon?
    - 030…
    - Krankenkasse?
    - Technik…
    - Beruf?
    - Naja…
    - Geschlecht? Größe? Gewicht? Augenfarbe?
    - Äääh…
    - Gut. Hier lesen Sie es sich nochmal durch, ob alle Angaben stimmen und dann unterschreiben.
    Ich las mir das Formular durch, tatsächlich, alle Angaben zu meiner Person stimmten. Wie machte sie das bloß?
    - Ähm.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher