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Die Welt auf dem Kopf

Die Welt auf dem Kopf

Titel: Die Welt auf dem Kopf
Autoren: Milena Agus
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nach den Schiffen war. Desgleichen, wenn sie auf der Terrassezu tun hatten, wo ein alter Waschzuber stand, wie man ihn früher hatte, ehe die Waschmaschinen aufkamen, mit einem geriffelten Holzbrett und einem großen Stück Wäscheseife. Dann drückten sie mir einen Lappen in die Hand, und ich war glücklich und zufrieden, wenn ich ihn, tief über den Zuber gebeugt, auf dem Waschbrett rubbeln konnte. Auch riefen sie mich herbei, bevor die Kuckucksuhr, die die Johnsons selbst aus der Schweiz mitgebracht hatten, zwölf Uhr läutete. Schon zehn vor zwölf setzte ich mich davor und wartete, dass dieser kleine wunderliche Vogel herauslugte.
    Mrs. Johnson war die Tochter eines Bauunternehmers, und hier in der Marina nannten die Leute sie unu priogu resuscitau – wörtlich »eine auferstandene Laus« –, Neureiche im Volksmund. Ihr Vater war, aus armseligen Verhältnissen stammend, zu Geld gekommen, indem er lauter triste, graue quadratische Häuser baute, umgeben von gestutztem Rasen, auf dem hie und da ein mickriger Baum stand, dessen Krone ebenso quadratisch und grau und trist war wie das dazugehörige Haus. Doch Mrs. Johnson hatte anscheinend nicht in einem von ihrem Vater errichteten Gebäude leben wollen, sondern es vorgezogen, eine Wohnung in der Marina zu kaufen. Es hieß, dass die letzten Besitzer unser Haus hatten loswerden wollen, um dem Fluch ein Ende zu bereiten, der die Frauen der Familie dazu verdammt hatte, wie Gefangene darin zu leben und der Liebe zu entsagen. Mit den beiden letzten Erben erlosch auch der Nachname, und mit der Teilung des Hauses und dem Verkauf der Wohnungen endeteschließlich auch ihre Familiengeschichte. Die Erben hofften, dass sich darin künftig heiterere Geschichten zutragen würden. Ich bin gespannt, ob die unseren, die der neuen Bewohner, es tatsächlich sein werden.
    Es ist ein prächtiges ehemaliges Patrizierhaus in einem Viertel, wo es sonst nur ärmliche Häuser gibt, und besteht aus zwei L-förmigen Flügeln, die sich um den Innenhof zu einem Hufeisen fügen. Je eine Längsseite geht auf den Innenhof und die andere entweder zum Hafen oder auf die Nordseite des Marina-Viertels, während die beiden kurzen Seiten auf einen kleinen Platz blicken. Vom Innenhof führt eine Treppe mit Steinbalustrade in den ersten und einzigen Stock des Hauses, zur Wohnung der Johnsons, jene Treppe, die die kleinen Fenster der Wohnung verdeckt, die früher die Bediensteten beherbergte und jetzt Anna und Natascha. Die Johnsons besitzen ein ganzes Stockwerk und können in alle Richtungen schauen, auf den Innenhof, das umliegende Viertel und aufs Meer. Ihnen gehört auch die frühere Dienstbotenwohnung, die mit der Treppe davor, in der jetzt Anna und Natascha wohnen. Nur die Johnsons können sowohl durch den Haupteingang wie auch durch den Hof in ihre Wohnung gelangen, während Anna und Natascha ihre Wohnung ausschließlich über den Hintereingang erreichen. Wie die restlichen Parteien benutze ich den Haupteingang an der Straße. Ich wohne in dem L ohne Meerblick. Ein langer Flur trennt die Zimmer zur Rechten, die auf die Straße hinausgehen, von jenen zur Linken mit Blick in den Innenhof.Von der Küche und dem Bad aus kann ich in das gute Zimmer von Anna schauen, das sie genau so auf Sardisch nennt – s’aposentu bonu . Von meiner Wohnung mag ich am liebsten das Badezimmer mit seinen weißen und schwarzen Fliesen, der Sitzbadewanne, den zwei identischen kleinen Schränkchen, den zwei Spiegeln, einem selbst gebauten Regal für Shampoo, Fön, Handtücher und solche Sachen, und einer Sitztruhe, in der man Reinigungsmittel und Putzlappen verstauen kann. Die Zimmer rechts vom Flur, die zur Straße, sind mit altmodischen Möbeln aus den Fünfzigern ausgestattet, aus der Zeit, als meine Tante und Mama noch klein waren. Das Schlafzimmer ist aus hellem Holz, und ein großer Schrank mit Spiegeltüren nimmt eine ganze Längsseite ein. Im Esszimmer steht an der einen Wand eine Kredenz und an der gegenüberliegenden eine dazu passende kleinere Anrichte, und im Wohnzimmer ein rotes Sofa mit flauschigem Wollbezug. An den Wänden hängen Fotografien von Mama und meiner Tante, als sie noch Mädchen waren, und von mir und meinen Cousins und meinem Onkel, ebenfalls lauter Kinderfotos. Würde jemand, der unsere Familie nicht kennt, die Fotos betrachten, wüsste er nicht, wer früher und wer später geboren wurde, wer die Kinder und wer die Eltern sind, und es bliebe seiner Fantasie überlassen, sie zeitlich
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