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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
Autoren: Arthur Schopenhauer
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Erdensonne untergegangen ist. Von diesem Standpunkt aus erscheint meine individuelle Existenz, so sehr sie auch, jener Sonne gleich, mir Alles überstrahlt, im Grunde doch nur als ein Hinderniß, welches zwischen mir und der Erkenntniß des wahren Umfangs meines Wesens steht. Und weil jedes Individuum, in seiner Erkenntniß, diesem Hindernisse unterliegt; so ist es eben die Individuation, welche den Willen zum Leben über sein eigenes Wesen im Irrthum erhält: sie ist die Maja des Brahmanismus. Der Tod ist eine Widerlegung dieses Irrthums und hebt ihn auf. Ich glaube, wir werden im Augenblicke des Sterbens inne, daß eine bloße Täuschung unser Daseyn auf unsere Person beschränkt hatte. Sogar empirische Spuren hievon lassen sich nachweisen in manchen dem Tode, durch Aufhebung der Koncentration des Bewußtseyns im Gehirn, verwandten Zuständen, unter denen der magnetische Schlaf der hervorstechendeste ist, als in welchem, wenn er die höheren Grade erreicht, unser Daseyn, über unsere Person hinaus und in andern Wesen, sich durch mancherlei Symptome kund giebt, am auffallendesten durch unmittelbare Theilnahme an den Gedanken eines andern Individuums, zuletzt sogar durch die Fähigkeit, das Abwesende, Entfernte, ja, das Zukünftige zu erkennen, also durch eine Art von Allgegenwart.
    Auf dieser metaphysischen Identität des Willens, als des Dinges an sich, bei der zahllosen Vielheit seiner Erscheinungen, beruhen überhaupt drei Phänomene, welche man unter den gemeinsamen Begriff der Sympathie bringen kann: 1) das Mitleid , welches, wie ich dargethan habe, die Basis der Gerechtigkeit und Menschenliebe, caritas , ist; 2) die Geschlechtsliebe mit eigensinniger Auswahl, amor , welche das Leben der Gattung ist, das seinen Vorrang vor dem der Individuen geltend macht; 3) die Magie , zu welcher auch der animalische Magnetismus und die sympathetischen Kuren gehören. Demnach ist Sympathie zu definiren: das empirische Hervortreten der metaphysischen Identität des Willens, durch die physische Vielheit seiner Erscheinungen hindurch, wodurch sich ein Zusammenhang kund giebt, der gänzlich verschieden ist von dem durch die Formen der Erscheinung vermittelten, den wir unter dem Satze vom Grunde begreifen.
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