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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
Autoren: Arthur Schopenhauer
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sich selbst nichtig (z.B. Eth., IV, prop. 37, schol. 2). Ueberhaupt ist Spinoza, nachdem ihn, über hundert Jahre hindurch, unverdiente Geringschätzung getroffen hatte, durch die Reaktion im Pendelschwung der Meinung, in diesem Jahrhundert wieder überschätzt worden, – Aller Pantheismus nämlich muß an den unabweisbaren Forderungen der Ethik, und nächst dem am Uebel und dem Leiden der Welt, zuletzt scheitern. Ist die Welt eine Theophanie; so ist Alles, was der Mensch, ja, auch das Thier thut, gleich göttlich und vortrefflich: nichts kann zu tadeln und nichts vor dem Andern zu loben seyn: also keine Ethik. Daher eben ist man in Folge des erneuerten Spinozismus unserer Tage, also des Pantheismus, in der Ethik so tief herabgesunken und so platt geworden, daß man aus ihr eine bloße Anleitung zu einem gehörigen Staats- und Familienleben machte, als in welchem, also im methodischen, vollendeten, genießenden und behaglichen Philisterthum, der letzte Zweck des menschlichen Daseyns bestehn sollte. Zu dergleichen Plattheiten hat der Pantheismus freilich erst dadurch geführt, daß man (das e quovis ligno fit Mercurius arg mißbrauchend) einen gemeinen Kopf, Hegel , durch die allbekannten Mittel, zu einem großen Philosophen falschmünzte und eine Schaar Anfangs subornirter, dann bloß bornirter Jünger desselben das große Wort erhielt. Dergleichen Attentate gegen den menschlichen Geist bleiben nicht ungestraft: die Saat ist aufgegangen. Im gleichen Sinne wurde dann behauptet, die Ethik solle nicht das Thun der Einzelnen, sondern das der Volksmassen zum Stoff haben, nur dieses sei ein Thema ihrer würdig. Nichts kann verkehrter seyn, als diese auf dem plattesten Realismus beruhende Ansicht. Denn in jedem Einzelnen erscheint der ganze ungetheilte Wille zum Leben, das Wesen an sich, und der Mikrokosmos ist dem Makrokosmos gleich. Die Massen haben nicht mehr Inhalt als jeder Einzelne. Nicht vom Thun und Erfolg, sondern vom Wollen handelt es sich in der Ethik, und das Wollen selbst geht stets nur im Individuo vor. Nicht das Schicksal der Völker, welches nur in der Erscheinung daist, sondern das des Einzelnen entscheidet sich moralisch . Die Völker sind eigentlich bloße Abstraktionen: die Individuen allein existiren wirklich, – So also verhält sich der Pantheismus zur Ethik. – Die Uebel aber und die Quaal der Welt stimmten schon nicht zum Theismus : daher dieser durch allerlei Ausreden, Theodiceen, sich zu helfen suchte, welche jedoch den Argumenten Hume's und Voltaire's unrettbar unterlagen. Der Pantheismus nun aber ist jenen schlimmen Seiten der Welt gegenüber vollends unhaltbar. Nur dann nämlich, wann man die Welt ganz von außen und allein von der physikalischen Seite betrachtet und nichts Anderes, als die sich immer wieder herstellende Ordnung und dadurch komparative Unvergänglichkeit des Ganzen im Auge behält, geht es allenfalls, doch immer nur sinnbildlich an, sie für einen Gott zu erklären. Tritt man aber ins Innere, nimmt also die subjektive und die moralische Seite hinzu, mit ihrem Uebergewicht von Noth, Leiden und Quaal, von Zwiespalt, Bosheit, Verruchtheit und Verkehrtheit; da wird man bald mit Schrecken inne, daß man nichts weniger, als eine Theophanie vor sich hat. – Ich nun aber habe gezeigt und habe es zumal in der Schrift »Vom Willen in der Natur« bewiesen, daß die in der Natur treibende und wirkende Kraft identisch ist mit dem Willen in uns. Dadurch tritt nun wirklich die moralische Weltordnung in unmittelbaren Zusammenhang mit der das Phänomen der Welt hervorbringenden Kraft. Denn der Beschaffenheit des Willens muß seine Erscheinung genau entsprechen: hierauf beruht die, §§ 63, 64 des ersten Bandes, gegebene Darstellung der ewigen Gerechtigkeit , und die Welt, obgleich aus eigener Kraft bestehend, erhält durchweg eine moralische Tendenz. Sonach ist jetzt allererst das seit Sokrates angeregte Problem wirklich gelöst und die Forderung der denkenden, auf das Moralische gerichteten Vernunft befriedigt. – Nie jedoch habe ich mich vermessen, eine Philosophie aufzustellen, die keine Fragen mehr übrig ließe. In diesem Sinne ist Philosophie wirklich unmöglich: sie wäre Allwissenheitslehre. Aber est quadam prodire tenus, si non datur ultra : es giebt eine Gränze, bis zu welcher das Nachdenken vordringen und so weit die Nacht unsers Daseyns erhellen kann, wenn gleich der Horizont stets dunkel bleibt. Diese Gränze erreicht meine Lehre im Willen zum Leben, der, auf seine eigene
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