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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
Autoren: Arthur Schopenhauer
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gemieden wird. Denn die Grundsätze der bürgerlichen Ehre beruhen auf dem moralischen und nicht auf dem bloß positiven Recht: das Wild aber ist kein Gegenstand der Bearbeitung, also auch nicht des moralisch gültigen Besitzes: das Recht darauf ist daher gänzlich ein positives und wird moralisch nicht anerkannt.
    Dem Strafrecht sollte, nach meiner Ansicht, das Princip zum Grunde liegen, daß eigentlich nicht der Mensch , sondern nur die That gestraft wird, damit sie nicht wiederkehre: der Verbrecher ist bloß der Stoff, an dem die That gestraft wird; damit dem Gesetze, welchem zu Folge die Strafe eintritt, die Kraft abzuschrecken bleibe. Dies bedeutet der Ausdruck: »Er ist dem Gesetze verfallen.« Nach Kants Darstellung, die auf ein jus talionis hinausläuft, ist es nicht die That, sondern der Mensch, welcher gestraft wird. – Auch das Pönitentiarsystem will nicht sowohl die That, als den Menschen strafen, damit er nämlich sich bessere: dadurch setzt es den eigentlichen Zweck der Strafe, Abschreckung von der That, zurück, um den sehr problematischen der Besserung zu erreichen. Ueberall aber ist es eine mißliche Sache, durch ein Mittel zwei verschiedene Zwecke erreichen zu wollen; wie viel mehr, wenn beide, in irgend einem Sinne, entgegengesetzte sind. Erziehung ist eine Wohlthat, Strafe soll ein Uebel seyn: das Pönitentiargefängniß soll Beides zugleich leisten. – So groß ferner auch der Antheil seyn mag, den Rohheit und Unwissenheit, im Verein mit der äußern Bedrängniß, an vielen Verbrechen haben; so darf man jene doch nicht als die Hauptursache derselben betrachten; indem Unzählige in der selben Rohheit und unter ganz ähnlichen Umständen lebend, keine Verbrechen begehn. Die Hauptsache fällt also doch auf den persönlichen, moralischen Charakter zurück: dieser aber ist, wie ich in der Preisschrift über die Freiheit des Willens dargethan habe, schlechterdings unveränderlich. Daher ist eigentliche moralische Besserung gar nicht möglich; sondern nur Abschreckung von der That. Daneben läßt sich Berichtigung der Erkenntniß und Erweckung der Arbeitslust allerdings erreichen: es wird sich zeigen, wie weit dies wirken kann. Ueberdies erhellt aus dem von mir im Text aufgestellten Zweck der Strafe, daß, wo möglich, das scheinbare Leiden derselben das wirkliche übersteigen solle: die einsame Einsperrung leistet aber das Umgekehrte. Die große Pein derselben hat keine Zeugen und wird von Dem, der sie noch nicht erfahren hat, keineswegs anticipirt, schreckt also nicht ab. Sie bedroht den durch Mangel und Noth zum Verbrechen Versuchten mit dem entgegengesetzten Pol des menschlichen Elends, mit der Langenweile; aber, wie Goethe richtig bemerkt:

    Wird uns eine rechte Quaal zu Theil,
    Dann wünschen wir uns Langeweil.

    Die Aussicht darauf wird ihn daher so wenig abschrecken, wie der Anblick der palastartigen Gefängnisse, welche von den ehrlichen Leuten für die Spitzbuben erbaut werden. Will man aber diese Pönitentiargefängnisse als Erziehungsanstalten betrachten; so ist zu bedauern, daß der Eintritt dazu nur durch Verbrechen erlangt wird; statt daß sie hätten diesen zuvorkommen sollen. –
    Daß, wie Beccaria gelehrt hat, die Strafe ein richtiges Verhältniß zum Verbrechen haben soll, beruht nicht darauf, daß sie eine Buße für dasselbe wäre; sondern darauf, daß das Pfand dem Werthe Dessen, wofür es haftet, angemessen seyn muß. Daher ist Jeder berechtigt, als Garantie der Sicherheit seines Lebens fremdes Leben zum Pfände zu fordern; nicht aber eben so für die Sicherheit seines Eigenthums, als für welches fremde Freiheit u. s. w. Pfand genug ist. Zur Sicherstellung des Lebens der Bürger ist daher die Todesstrafe schlechterdings nothwendig. Denen, welche sie aufheben möchten, ist zu antworten: »Schafft erst den Mord aus der Welt: dann soll die Todesstrafe nachfolgen«. Auch sollte sie den entschiedenen Mordversuch eben so wie den Mord selbst treffen: denn das Gesetz will die That strafen, nicht den Erfolg rächen. Ueberhaupt giebt der zu verhütende Schaden den richtigen Maaßstab für die anzudrohende Strafe, nicht aber giebt ihn der moralische Unwerth der verbotenen Handlung. Daher kann das Gesetz, mit Recht, auf das Fallenlassen eines Blumentopfes vom Fenster Zuchthausstrafe, auf das Tabakrauchen im Walde, während des Sommers, Karrenstrafe setzen, dasselbe jedoch im Winter erlaubt seyn lassen. Aber, wie in Polen, auf das Schießen eines Auerochsen den Tod zu setzen, ist zu viel,
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