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Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Titel: Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer
Autoren: Kai Meyer
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Felsklüften widerhallte. Sie stolperte, fiel zurück auf die Knie. Versuchte es erneut. Und hatte Erfolg.
    Diesmal gelang es ihr, Griffin hochzuzerren. Mit der linken Hand hielt sie seinen Arm fest, der noch immer um ihre Schultern lag; die rechte fädelte sie am Rücken unter seinen Gürtel und hielt ihn daran, so gut es eben ging, aufrecht.
    Sie hatte schon früher einmal einen Hilflosen in Sicherheit gebracht, einen der Seeleute der Mageren Maddy, aber das war an Land gewesen, und der Mann hatte trotz seiner Schwäche festen Boden unter den Füßen gehabt. Griffin aber war keine Quappe, und das Wasser bot seinen Füßen keinen Widerstand. Jolly musste sein volles Gewicht tragen und noch dazu Acht geben, dass seine Beine nicht tief genug einsanken, um die Haie abermals auf sie aufmerksam zu machen.
    Irgendwie schaffte sie es, ihn vorwärts zu schleppen. Die Haifischflossen verschwanden mit Ausnahme einer einzigen im Wasser, und auch der letzte Raubfisch hielt nur noch wenige Herzschläge Aussicht nach seiner Beute, dann gab er auf.
    Weiter!, dachte Jolly verbissen. Nicht nachdenken! Einfach immer weiter vorwärts!
    Irgendwann musste sie auf ein Ufer stoßen. Die Durchfahrt war nicht allzu breit gewesen, und obwohl Jolly in dem Dunst jegliche Orientierung verloren hatte, konnten die Felsen nicht fern sein.
    Vorwärts! Mach schon!
    »Jo -Jolly…«
    »Griffin!« Vor Erleichterung hätte sie ihn fast losgelassen. Sie verrenkte sich den Kopf, um in sein Gesicht zu blicken, aber es ging nicht. Hatte er die Augen geöffnet?
    Griffin gab würgende Geräusche von sich, und dann ergoss sich ein Wasserschwall über ihre Schulter.
    »Wir schaffen das!«, brachte sie ächzend hervor.
    Noch einmal versuchte er, ihren Namen auszusprechen. Dann spürte sie, wie er abermals erschlaffte.
    »Griffin! Komm schon - du musst mir helfen! Halt dich fest!«
    Er regte sich nicht mehr.
    Und dennoch - er lebte.
    Die Erleichterung gab ihr neue Kraft. Verzweifelt kämpfte sie gegen den hohen Seegang, den Rauch in ihrer Lunge, gegen die Blindheit inmitten der Finsternis. Der Wind hatte aufgefrischt und begann jetzt, den Dunst auseinander zu treiben. Der Mond zeigte sich wieder und mischte sein Eislicht mit den Rauchschwaden zu einem drückenden Dämmerschein. Immerhin konnte Jolly jetzt wieder etwas erkennen.
    Die Felsen, da vorn!
    Vor ihnen erhoben sich mehrere Buckel aus dem Wasser, wie Lebewesen, die sich aus einer gedrungenen Hocke aufrichteten. Gleich dahinter befand sich ein Abhang aus Geröll, bedeckt mit sonderbaren Umrissen. Erst im Näherkommen sah Jolly, dass es sich um Baumstümpfe handelte.
    Mit eisernem Willen passierte sie die äußeren Felsen und schleppte Griffin mit einem jubelnden Aufschrei an Land. Sie war nicht sicher, ob irgendwer den Schrei hören konnte außer ihr selbst, vielleicht existierte er nur in ihrem Kopf. Sie fühlte sich leer und kraftlos.
    Kleine Steinchen knirschten unter ihren Füßen, dann unter ihrer beider Körper, als sie halb nebeneinander, halb übereinander zusammenbrachen.
    Erneut wurde ihr schwarz vor Augen, und wieder wusste sie später nicht, wie lange sie ohne Bewusstsein gewesen war. Vielleicht nur für wenige Minuten, vielleicht für eine Stunde. Möglicherweise auch noch länger.
    Als sie die Augen aufschlug, war der Rauch fort.
    Genau wie Griffin.
    Panisch tastete sie um sich, bekam aber nur leeres Gestein zu fassen, loses Geröll und - eine Hand. Finger legten sich um die ihren, dann erschien über ihr ein Gesicht. Griffins blonde Zöpfe baumelten herab und berührten fast ihre Wangen.
    Sein Lächeln wirkte erschöpft, aber immerhin - ein Lächeln.
    »Sieht aus, als könnten Quappen in die Zukunft sehen«, sagte er. Sein Gesicht war sehr nah über ihrem, aber im Augenblick war ihr das nicht unangenehm. Er lebte.
    »In die Zukunft?«, wiederholte sie, als hätte sie ihn falsch verstanden.
    »Weißt du noch, was du zu mir gesagt hast?«
    »Ich hab in den letzten Tagen eine Menge gesagt, glaube ich.« Sie versuchte, sich aufzusetzen, und er rückte ein Stück zurück, um Platz zu machen. Aber nur ein wenig, nur so viel, wie gerade nötig war.
    »Du hast gesagt, ich darf dich küssen, wenn wir zu zweit auf einer einsamen Insel stranden.«
    »Oh, es gab . Einschränkungen«, sagte sie mit einem unsicheren Lächeln. Sie hätte sich über tausend Dinge Gedanken machen müssen, über die Carfax, ihre Gefährten, über den Ausgang der Seeschlacht mit der Palomino und darüber, was nun aus ihnen
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