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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin
Autoren: Martina Kempff
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»Wahrscheinlich war es schade um das Möbel, aber er befand sich auf der Flucht und musste seinen Anhängern irgendetwas geben, um sich erkenntlich zu zeigen.«
    »Natürlich«, sagte Judith nachdenklich, »darum ging es doch all die Jahre, nicht wahr? Andauernd musste jeder irgendetwas haben. Man war darauf angewiesen, sich Freunde zu kaufen und sich Anhänger mit irgendwelchen materiellen Gütern gewogen zu machen. So ist mir mein gesamter Besitz abhanden gekommen. Manchmal frage ich mich, ob auch nur einer dieser Menschen ein einziges Mal aus Überzeugung zum Wohl des Reiches, zum Wohl der armen abhängigen Menschen gehandelt hat – und nicht, weil er eine Belohnung erwarten oder verlangen konnte. Bereicherung auf Kosten anderer hat alle getrieben. Wahre Uneigennützigkeit habe ich nur von sehr wenigen erfahren.«
    Sie hatte es plötzlich sehr eilig, zu Ruadbern zurückzukehren, und war erleichtert, als die Kammerfrau der Kaiserin eintrat und einen weiteren Besucher ankündigte.
    Beide Frauen erhoben sich gleichzeitig.
    »Wer hat denn mit den üppigen Schenkungen angefangen?«, entfuhr es Irmingard. Sie besann sich sofort wieder und setzte süß lächelnd hinzu: »Aber das liegt alles längst hinter uns. Jetzt brauchen wir uns um so etwas nicht mehr zu bekümmern. Meine Gabe an dich kommt von Herzen.«
    Ein korpulenter Mann wurde in das Gemach geführt und sank augenblicklich vor Irmingard auf die Knie. Erst als er sich wieder aufrichtete, entdeckte er die zweite Frau im Raum. Er verzog den Mund zu einem freudigen Grinsen, richtete verzückte Schweinsäuglein auf Judith und verbeugte sich sehr tief vor ihr. Dabei beging er die unverzeihliche Sünde, der Kaiserin sein Hinterteil zuzuwenden.
    »Meine Verehrung, Teuerste«, stammelte er, Judith anschmachtend. Eine winzige Träne glänzte in einem Auge. »Euer gedenke ich jede Nacht. Euer Gunstbeweis ist mir unvergesslich.«
    Judith hob die Hand. Doch bevor sie dem Mann, der im Turm von Tortona wie ein Irrwitziger über sie hergefallen war, eine Ohrfeige versetzen konnte, hatte er ihre Finger bereits mit seinen umschlossen, hielt sie fest und bedeckte sie mit einer Vielzahl feuchter Küsse.
    Mit zusammengekniffenen Lippen beobachtete Irmingard, wie Judith ihr schon wieder den Rang ablief. Selbst im Wissen, dass es nie wieder vorkommen würde, war sie zutiefst verletzt. Sie machte ihrer Empörung durch unwirsches Räuspern Luft. Mit einer entschuldigenden Verneigung wandte sich ihr der Besucher zu und öffnete den Mund. Irmingard schnitt ihm das Wort ab.
    »Geduldet Euch, Graf«, herrschte sie ihn an. »Ich habe noch etwas mit meiner teuren Freundin zu besprechen.«
    Sie trat mit Judith auf den Gang und flüsterte ihr zu: »Dieser Graf Bonifatius von Lucca stellt mir ständig nach. Er verfügt über ein äußerst schlechtes Benehmen, schwitzt fürchterlich und kann ungeheuer lästig sein.«
    Sehr milde ausgedrückt, dachte Judith und schlug mit so ernster Stimme vor, den Mann wegen Majestätsbeleidigung zu köpfen, dass Irmingard wie über einen gelungenen Witz in Gelächter ausbrach.
    »Ich werde es erwägen«, erwiderte sie. Als sich Judith für ihr hochherziges Geschenk bedankte, schlug Irmingard sich plötzlich mit beiden Händen auf die Wangen. »Ach, liebste Judith, ich habe ganz vergessen nachzusehen, ob ich das gute Stück auch gründlich gereinigt habe! Meine Augen dienen mir leider nicht mehr so gut. Um auf der Reise zu verbergen, dass es sich um einen Teil des Planetentisches handelt, hat Lothar Mehl oder so etwas darübergestäubt. Ich habe das Zeug einfach mit den Fingern weggewischt, aber es könnte sein, dass in irgendeiner Vertiefung noch Spuren zu sehen sind. Gib doch noch mal her, ich sehe nach und reinige das Stück gründlich.« Judith lehnte ab. Sie wollte sich nicht länger als nötig mit Graf Bonifatius unter einem Dach aufhalten.
    »Vielen Dank, aber das können meine Finger auch erledigen«, sagte sie.
    Und die werden dann dich erledigen, dachte Irmingard befriedigt.
    So geschah es auch.
    Es dauerte nur länger, als die Kaiserin erwartet hatte. Die Nonne Gerberga hatte in ihrer Rezeptur nämlich versäumt anzugeben, innerhalb welcher Frist das Opfer das Zeitliche segnen würde.
    Judith öffnete das Paket erst, als Ruadbern am Abend aus der Abtei zurückgekehrt war.
    »Ihre Augen sind wirklich schlechter als meine – dabei ist sie viel jünger als ich«, erklärte sie übermütig und rieb mit den Fingern an einem weißen Fleck herum, der
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