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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin
Autoren: Martina Kempff
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sich jedoch nicht so leicht entfernen ließ, wie Irmingard behauptet hatte.
    »Ich glaube, da ist eine Flickstelle!«, rief sie verblüfft und reichte Ruadbern das silberne Stück. Der drückte mit dem Zeigefinger den Kitt heraus, starrte auf das Loch und versank in Schweigen.
    »Was ist dir?«, fragte Judith beunruhigt.
    »Der Planet Venus«, murmelte Ruadbern. »Des Kaisers Schwert hat sich durch die Venus gebohrt!«
    »Wovon sprichst du?«
    Er gab sich einen Ruck und hielt die Silberscheibe hoch.
    »Sieh dir die Form an.«
    »Ein Herz!«, rief Judith überrascht und setzte lachend hinzu: »Kaiser Lothar hat also seiner Frau ein Herz geschickt und vorher sein Schwert hindurchgetrieben, wie reizend. Kein Wunder, dass sie loswerden wollte, was er ihr damit angetan hat.«
    Ruadbern schwieg. Er wusste es besser. Aber das Wesentliche war auch ihm verborgen geblieben.
    Der Medicus des Klosters Sankt Martin schüttelte den Kopf.
    »Ich kann nicht mit Gewissheit sagen, was Euch und der Königinmutter fehlt«, sagte er zu Ruadbern. »Die Schluckbeschwerden und die Lähmungserscheinungen deuten auf eine Vergiftung hin. Doch die Tiere, an die ich die Reste Eures vorgestrigen Mahls verfüttert habe, sind alle gesund. Habt Ihr noch irgendetwas anderes zu Euch genommen?«
    »Nichts weiter«, krächzte Ruadbern, der, nur mit einer dünnen Tunika bekleidet, in einer Schweißlache auf der Bank neben Judiths Bett lag. Die Königinmutter konnte nicht mehr reden, war aber noch bei Bewusstsein und blickte den Arzt aus glasigen Augen verzweifelt an.
    Als sacht an die Tür geklopft wurde, öffnete der Medicus, wechselte mit jemandem ein paar Worte und ließ eine Frau in grauer Pilgertracht eintreten.
    »Diese Pflanzenkundige hat von Eurer Not gehört«, sagte er, wandte sich an die Fremde und fragte sie nach ihrem Namen.
    »Der tut nichts zur Sache«, erwiderte sie. »Nennt mich nur Astronoma, und lasst mich nach den Kranken sehen.«
    Sie beugte sich über Judith, roch an ihrem Atem und besah sich ihre Hände.
    »Gift findet auch über andere Wege als den Mund Eingang in den Körper«, sagte sie. »Womit seid ihr vor wenigen Tagen in Berührung gekommen?«
    Judiths stieß einen unverständlichen Laut aus. Ihre Augen schienen fast aus den Höhlen zu treten. Ruadbern hob einen Arm und deutete auf eine Truhe in der Ecke.
    »Darin liegt eine silberne Scheibe«, flüsterte er, »mit einem Loch in der Mitte, das auf seltsame Weise zugekittet war. Wir haben den Kitt mit den Fingern entfernt.«
    Mit einem Tuch hob die Astronoma das silberne Stück aus der Truhe, roch daran, rümpfte die Nase und wandte sich mit von Trauer erfülltem Blick zu den Kranken.
    »Ich kann euch keine Hoffnung machen«, sagte sie sachlich, »euch nur wünschen, bald Erlösung zu finden. Gegen dieses Gift gibt es kein Mittel.«
    Judith schloss die Augen. Irmingard hat gesiegt, dachte sie. Jetzt, da es nichts mehr zu gewinnen gibt, da ich mich keinem Kampf gestellt habe. Da alles unwichtig geworden ist. Es ist mein Schicksal, immer dann verurteilt zu werden, wenn ich nicht gefehlt habe.
    »Wir beide wissen, wie dunkel die Wege sind, die das Schicksal geht«, sagte die Astronoma leise, setzte sich an Judiths Bett und lächelte traurig, als die Kranke überrascht wieder die Lider hob. »Auch wenn sie für manche von uns etwas weniger dunkel erscheinen«, fügte sie hinzu, und nahm Judiths Hände in ihre. Sie atmete tief durch, als sie zum ersten und einzigen Mal gegen ihr Gelübde verstieß, nie wieder einem Menschen die Zukunft vorherzusagen. Doch es erschien ihr der einzige Trost, den sie der Sterbenden zu spenden vermochte, und Schaden würde niemandem daraus erwachsen. »Ludwigs Söhne werden sich noch in diesem Jahr friedlich einigen«, sagte sie. »Und auch dein größter Wunsch, dein Traum, Judith, wird in Erfüllung gehen: Dein Sohn Karl wird Kaiser werden.«
    Judith öffnete den Mund, versuchte verzweifelt Worte zu formen, aber sie wollten ihr nicht über die Lippen kommen. Sie sah der Astronoma lange eindringlich in die Augen.
    »Das ist gut«, sagte diese nickend und wandte sich an Ruadbern. »Judiths Wünsche und Träume gelten nicht ihrem Sohn. Sondern dir, Ruadbern. Sie dankt dir für deine Liebe, das größte Geschenk ihres Lebens. Sie bedauert zwar, lange nicht erkannt zu haben, wie weitaus erstrebenswerter sie ist als jedes Kaiserreich, ist aber dankbar für die Zeit, die euch gemeinsam vergönnt war.«
    Ein schwaches Lächeln flog über Judiths Gesicht,
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