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Die weissen Feuer von Hongkong

Die weissen Feuer von Hongkong

Titel: Die weissen Feuer von Hongkong
Autoren: Harry Thürk
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machen würde, wenn er ihr erzählte, daß er das Schiff ganz allein aus dem Hafen von Hongkong gebracht hatte.
    Der Himmel hatte sich im Osten mit einer brandroten Farbe überzogen. Über dem Horizont zeigte sich der erste Streifen Sonne. Das Meer schien Millionen kleiner Flammen zu wiegen. Der Dunst löste sich auf, Möwen umkreisten das Schiff. Weit hinten blieb das Land zurück, die Insel Hongkong, Kowloon und die chinesische Küste.
    »Wir halten auf Kap Rock zu?« erkundigte sich der Rudergänger.
    Koslowski nickte. »Da ist einer schiffbrüchig geworden. Stand gestern abend in der Zeitung. Wir nehmen ihn auf.«
    Der Rudergänger grinste. Er wußte bereits, daß es sich um einen Deutschen handelte, der in Korea den Amerikanern ade gesagt hatte. Wie der überhaupt dorthin geraten war? Frau und Kind sollte er auch bei sich haben. Nun, man würde sehen, was das für einer war.
    Er gab dem Maschinenraum das Signal für volle Fahrt; das Schiff hinterließ eine rötlichsilberne Bahn auf dem Wasser. Die »Kosciuszko« war bei weitem nicht das einzige Fahrzeug, das zu dieser Zeit durch die Gewässer von Hongkong fuhr. Immer wieder tauchten Dschunken und kleine Küstenschiffe auf. Die Motorboote der Wasserpolizei schienen heute außergewöhnlich weit herausgekommen zu sein; einige von ihnen flitzten mit hoher Fahrt auf ein paar Fischerboote zu, die gemeinsam ihre Netze ausgeworfen hatten.
    Der Kapitän setzte das Fernglas an, rieb sich die Augen und meinte nachdenklich: »Die Suchaktion scheint noch nicht abgebrochen zu sein. Da haben wir uns eine schlimme Sache aufgebürdet.« Er ließ sich die Position geben und runzelte die Stirn.
    »Schlimme Sache«, brummte Koslowski, »als ob das so schwierig wäre, das Schiff mal zu stoppen und drei Leute aufzunehmen.«
    Der Kapitän ging an die Sprechanlage und ordnete an: »Verstärkt auf einzelne Dschunke achten, die Signale gibt. Fallreep besetzen.«
    Zu Koslowski gewandt, sagte er: »Noch bewegen wir uns innerhalb der Dreimeilenzone. Hoffentlich sind die Leute
    bis Kap Rock gekommen.«
    »Kap Rock liegt mehr als vier Meilen von der Küste entfernt. Das genügt.«
    »Es würde genügen«, erwiderte der Kapitän besorgt, »wenn sie aus Hongkong herausgekommen sind.«
    Bis jetzt war der Ton zwischen Koslowski und dem Kapitän noch von jener scherzhaften Art beherrscht gewesen, in der sie sich meist unterhielten. Nun aber wurden ihre Gespräche ernster. Die beiden Männer fuhren schon lange gemeinsam und waren befreundet, das bestimmte ihr Verhältnis zueinander. Gerade deshalb bedurfte es jetzt auch keiner weiteren Erörterungen mehr. Sie wußten, daß sich in wenigen Minuten entscheiden würde, ob sie dem geflüchteten Piloten helfen konnten oder nicht. Und obwohl er noch kurz vorher ein paar scherzhafte Bemerkungen über Koslowskis Hilfsbereitschaft gegenüber dem Deutschen gemacht hatte, hoffte der Kapitän jetzt ebensosehr auf das Gelingen ihrer Aktion wie sein Erster Steuermann.
    Josef Koslowski nahm ein Fernglas aus dem Fach und hängte es sich um, nachdem er die Linsen sorgfältig abgewischt hatte. Dann schob er sich die Mütze ein wenig aus der Stirn und schickte sich an, auf das Deck hinauszugehen. Zu dem Rudergänger sagte er: »Wenn es losgeht, nehme ich das Ruder. Wir wollen kein Risiko eingehen.«
    Der junge Matrose nickte. Es war nicht einfach, eine Dschunke auf hoher See anlegen zu lassen, und bei diesem Manöver durfte es keinen Fehler geben. Der Steuermann war unruhig, als er über das Deck ging. Er überzeugte sich davon, daß die Ausguckleute auf ihren Posten waren, dann stieg er wieder zur Brücke hinauf. Ein weiteres Polizeiboot kreuzte den Kurs der »Kosciuszko«. Es fuhr auf eine Dschunke zu, die einige hundert Meter entfernt auf dem Wasser schaukelte, zog einen Bogen um sie und glitt wieder
    davon.
    »Dreieinhalb Meilen von Hongkong«, sagte der Kapitän. Er deutete nach vorn. »Da kommt Kap Rock in Sicht.«
    Koslowski stellte sich neben den Rudergänger und hob wortlos das Fernglas an die Augen.
     
    *
    Der alte Yen winkte Kolberg aufgeregt zu sich. Er wies mit dem ausgestreckten Arm auf ein Schiff, das sich von Westen heranschob. Sie hatten einen weiten Bogen um Kap Rock gemacht, als sich im Osten die Sonne aus dem Meer hob. Und plötzlich war das große Schiff aus dem Dunst aufgetaucht.
    »Das ist es!« rief Kolberg gedämpft. Judith wischte sich verstohlen die Augen aus. Bert kletterte auf das Vorderdeck, um besser sehen zu können. Ja, es war die
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