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Die weissen Feuer von Hongkong

Die weissen Feuer von Hongkong

Titel: Die weissen Feuer von Hongkong
Autoren: Harry Thürk
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sagte der Kapitän, »du bist eine Lebensaufgabe für mich. Ich komme nie dahinter, was für ein Mensch du bist. Seit wann interessieren dich die Herrenmoden?«
    »Ich werde eben in der Uniform fahren«, entschied sich Koslowski. Der Kapitän schüttelte den Kopf und klopfte dem Ersten Steuermann gutgelaunt auf die Schulter. »Wenn
    es dich beruhigt, man trägt jetzt wieder Einreiher. Wo willst du denn hin?«
    »Ins Gebirge.«
    »Oh!« entfuhr es dem Kapitän. »Dann habe ich gesiegt!«
    »Warum?« Koslowski tat erstaunt.
    »Weil ich dich seit zwei Jahren davon zu überzeugen versuche, daß du im Urlaub eine Reise machen sollst, wie jeder moderne Mensch das heute tut.«
    Koslowski zündete sich eine Zigarette an. Dabei brummte er mit einem Anflug von Verlegenheit: »Stänkere nicht schon am frühen Morgen mit mir. Ihr jungen Kerle werdet nie lernen, das Alter zu respektieren!«
    »Das Alter!« Der Kapitän lachte. »Nun spiel bloß nicht gleich bei Dienstbeginn deine schwersten Trümpfe aus; sonst lasse ich nicht anhalten, wenn die Dschunke mit dem Deutschen aufkreuzt!«
    Koslowski versetzte ihm einen freundschaftlichen Rippenstoß. »Dann mache ich einen Eimer Marmelade aus dir.«
    Er ging an die Sprechanlage, die zum Maschinenraum führte, und öffnete die Klappe. Das Auslaufmanöver begann, Kommandorufe wechselten mit dem Klirren von Signalglocken ab. Das Schiff erzitterte leicht, als die Maschinen auf Touren liefen. Der Anker wurde gelichtet. In der Kombüse schlug der Koch ein paar Dutzend Eier in eine riesige Pfanne. Während er mißtrauisch an jedem einzelnen roch, beobachtete er die Kaffeemaschine, die leise zischte. Nicht weit davon war der Matrose Novik dabei, aus einer der vier unbesetzten Kabinen, die es auf dem Schiff gab, Kisten mit Medikamenten herauszuschaffen. Man hatte einen Teil der Apotheke hier gelagert, weil auf dieser Fahrt keine Passagiere an Bord waren. Nachdem Novik die letzte Kiste herausgetragen hatte, reinigte er die Kabine. Zuletzt klappte er die beiden Betten von der Wand, legte die Decken zurecht und stellte einen Aschenbecher auf den Tisch. Als er damit fertig war, erinnerte er sich, daß zu dem Ehepaar ein Kind gehören sollte.
    »Kind, Kind«, murmelte er mißmutig. »Weiß man, ob das ein Säugling ist oder ein Abiturient? Säuglinge schlafen bei der Mutter. Abiturienten?« Er öffnete wenig begeistert eine weitere Kabinentür und betrachtete die Medikamentenkästen, die auch hier gestapelt waren. Während er den zweiten Raum leer machte, schimpfte er leise vor sich hin: »Der Satan holt euch alle, wenn sich herausstellt, daß es nur ein Säugling ist.«
    Der Koch warf einen Blick aus der Tür seiner Kombüse und sah Novik zu. Er lächelte und rief: »Hol dir ein Spiegelei, du Möbelträger. Ich habe Angst, daß du umfällst!«
    »Steck dir deine Spiegeleier ...«, setzte Novik an. Aber er besann sich und folgte doch der Einladung.
    »Habe ich dir schon das Ding mit den Gänseköpfen erzählt?« fragte der Koch. Es war eine wenig appetitliche Geschichte, die sich in einem portugiesischen Hafen abgespielt hatte, und jeder auf dem Schiff kannte sie in mindestens drei Varianten. Diesmal wurde der Koch sie nicht mehr los, denn Novik lauschte plötzlich auf das Geräusch der Maschinen aus dem Inneren des Schiffes. Dann ließ er sogar das Spiegelei stehen und lief davon, über die Schulter zurückrufend: »Jetzt sehe ich mir erst mal an, wie Hongkong verschwindet!«
    Das Morgenlicht war fahlgrau. Dunst lag über dem Wasser. Als die Sirene der »Kosciuszko« aufheulte, klang das, als müsse sie die ganze verschlafene Kolonie auf die Beine bringen. Der Rudergänger war noch sehr jung. Er stand zum erstenmal bei einer Ausfahrt am Ruder. Der Kapitän verfolgte gespannt, wie er das Schiff manövrierte, und auch Josef Koslowski überwachte aufmerksam jeden seiner Handgriffe. Einen Frachter wie die »Kosciuszko« aus einem von Dschunken und Sampans wimmelnden Hafen herauszumanövrieren war keine einfache Sache. Aber der Rudergänger war ein aufgeweckter Junge, er setzte seinen ganzen Ehrgeiz darein, diese komplizierte Aufgabe zu meistern.
    Als die Fahrrinne sich schließlich immer mehr verbreiterte und in das offene Meer überging, nickte Koslowski dem jungen Rudergänger zu und sagte: »So ungefähr machst du das bei der Prüfung auch. Nur immer die Augen weit genug vorn haben. Und auf Überraschungen von seitwärts achten.«
    Der Junge strahlte. Er stellte sich vor, was seine Braut für Augen
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