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Die weissen Feuer von Hongkong

Die weissen Feuer von Hongkong

Titel: Die weissen Feuer von Hongkong
Autoren: Harry Thürk
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blieb.
    Und der Kapitän blieb fest. Er informierte den Engländer leicht lächelnd: »Es steht Ihnen frei, einen Antrag auf Auslieferung an die polnische Regierung zu richten. Unsere Behörden werden ihn gewissenhaft bearbeiten. Sie werden ihn notfalls auch an das Land weiterleiten, in dem der Gesuchte sich dann aufhält.« Er legte die Hand an die Mütze und gab den Matrosen, die rechts und links vom Fallreep postiert waren, ein Zeichen. Sie nahmen eine betont straffe Haltung ein.
    »Ihr Entschluß ist endgültig?«
    Der Kapitän trat beiseite und gab den Weg zum Fallreep frei. Er verbeugte sich leicht. »Ich wünsche gute Fahrt, Sir.« Dann sah er dem Offizier nach, der wütend auf das Polizeiboot zurückstieg. Er beherrschte sich ausgezeichnet, aber es bereitete ihm einige Mühe.
    Sich umdrehend, versetzte der Kapitän dem Ersten Steuermann einen Rippenstoß. »Los, auf die Brücke! Kurs aufnehmen, volle Fahrt.«
    Er lächelte, und Koslowski sagte halblaut, so daß die Matrosen es nicht hören konnten: »Junge, Junge, das hätte ich filmen wollen. Ich bin richtig stolz auf dich!«
     
    *
    Die Maschinen liefen wieder an und ließen den Schiffskörper erzittern. Die Sonne war höher gestiegen. Sie überzog das Wasser mit einem rötlichen Glanz. Der junge Rudergänger setzte eine pompöse Sonnenbrille auf, die er erst in Hongkong gekauft hatte. Das Meer lag leicht gewellt, meilenweit gut zu übersehen, vor der »Kosciuszko«. Der Rudergänger war stolz darauf, daß der Erste Steuermann ihm ganz allein die Führung des Schiffes überließ, während er zu der Kabine Kolbergs ging.
    »Warum weinen Sie?« fragte Koslowski Judith, als er die drei an Deck holte. Der Kapitän, der sie am Treppenaufgang erwartete, blickte verlegen zur Seite.
    »Sie ist glücklich«, sagte Kolberg. »Wir alle sind es. Können Sie sich das vorstellen?«
    Der Erste Steuermann klopfte ihm leicht auf die Schulter. »Und ob! Ich hoffe, Sie werden uns nach und nach alles erzählen, was Sie in den letzten Jahren erlebt haben. Wir haben eine lange Reise vor uns.« Er erwähnte das Polizeiboot nicht. Es würde später Gelegenheit geben, darüber zu sprechen.
    »Kommen Sie mit«, forderte der Kapitän sie auf. »Wir wollen uns das Schiff ansehen. Bei diesem Rundgang können Sie unsere Besatzung kennenlernen.« Er nahm den Jungen bei der Schulter und fragte ihn auf deutsch: »Wie heißt du, junger Mann?«
    Bert sagte ihm seinen Namen.
    »Und du bist nicht müde?«
    »Gar nicht, Herr Kapitän. Darf ich dort oben auch mal hin?« Er deutete auf die Brücke.
    Der Kapitän zuckte lächelnd die Schultern. »Also gehen wir zur Brücke.«
    Sie schlenderten über das ganze Schiff. Sie besuchten auch die Maschinenräume und die Bunker, die Laderäume und die Funkstation, die Speiseräume und das Reich des Kochs, der Fleisch für das Mittagessen zurechtschnitt.
    Kolberg war mit Koslowski ein wenig hinter dem Kapitän zurückgeblieben, der Judith und den Jungen führte. Einen Augenblick standen sie an der Reling, und der Steuermann fragte den Deutschen: »Was werden Sie machen, wenn Sie zu Hause sind?«
    »Arbeiten«, gab Kolberg zurück. »Ich verstehe etwas von Motoren, und ich denke, man wird mich brauchen können.«
    »Sicher«, bestätigte Koslowski. Er zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche und bot Kolberg an. Als sie rauchten, fuhr er fort: »Es wird einige Zeit dauern, bis Sie sich eingelebt haben, bis Sie alles verstehen, was dort zu Hause neu und anders ist. Aber Sie werden endlich ein Leben führen, das sich lohnt. Ich hoffe, Sie erinnern sich manchmal an uns hier auf der ,Kosciuszko‘.«
    »Ich werde mich an manches erinnern«, sagte Kolberg. »Und nicht alles wird so freundlich sein wie dieses Schiff.« Er entsann sich plötzlich, daß er noch immer die durchgeladene Pistole in der Tasche trug. Kurz entschlossen zog er sie hervor und hielt sie Koslowski hin, der ihn nachdenklich ansah. Es überraschte ihn nicht, daß Kolberg noch eine Waffe besaß; er hatte es vermutet.
    »Was soll ich damit tun?« fragte Kolberg. »Ich werde sie nicht mehr brauchen.«
    Der Steuermann zog gleichmütig an seiner Zigarette. Dann sagte er ruhig: »Sie können Sie begraben wie manches andere auch, das früher einmal für Sie eine Rolle gespielt hat. Von jetzt ab werden andere Dinge zählen.«
    Er sah gedankenvoll zu, wie Kolberg die Waffe über die Reling warf, wie sie einen Bogen beschrieb und im Wasser versank. Ich möchte diesem Deutschen in zehn Jahren wieder
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