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Die Weiße Rose

Die Weiße Rose

Titel: Die Weiße Rose
Autoren: Inge Scholl
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preisgeben.
    Gerade das war ja seine schwerste Sorge in den letzten vier Tagen während der langen Vernehmungen gewesen, wie er diese Freunde entlasten konnte.
    Einmal kam er nach einem stundenlangen Verhör furchtbar niedergeschlagen und traurig in die Zelle zurück. Er sagte: »Jetzt muß ich vielleicht einen Namen verraten. Ich weiß nicht mehr, wie ich es umgehen kann.« Schweren Herzens sah er der nächsten Vernehmung entgegen. Aber fröhlich und in fast übermütiger Freude kehrte er nach wenigen Stunden wieder zurück. »Es ging wunderbar, sie haben keinen Namen herausgekriegt«, sagte er glücklich. Er konnte in diesen Tagen oft so fröhlich sein. Und manchmal sprach er lustige Verse oder sagte Dinge, die ich nicht recht verstehen konnte. Zum Beispiel: »Die Sonne prallt.« Als ich ihm darauf widersprach: »Die Sonne prallt doch nicht, sie scheint« (sie schien in diesen Vorfrühlingstagen ja mit einer ungewöhnlichen Wärme und Ausdauer), sagte er übermütig und triumphierend: »Wenn ich dir sage, sie prallt, dann prallt sie.« Und dann zog er sich zu dem hochliegenden kleinen Gitterfenster empor und verrenkte sich den Hals, um einen Strahl Sonne oder ein Stückchen Himmel zu erhaschen. Aber solche Stimmungen wichen oft sehr ernsten Stunden, und ich spürte wohl immer, gerade auch durch die Heiterkeit hindurch, wie schwer Hans an seiner Verantwortung trug.
    Hans war immer gut zu mir. Nur manchmal bat er mich, nicht zu reden und ihn ganz für sich zu lassen. Die ganzen Nächte brannte helles Licht in der Zelle. Man wußte im Gefängnis, daß in diesen hell erleuchteten Zellen die Todeskandidaten wohnten. Hans jedoch beunruhigte dies Wissen nicht, er rechnete vom zweiten Tag an fest mit dem Todesurteil.
    Schließlich kam der letzte Morgen. Hans trug mir noch Grüße an die Eltern und Freunde auf. Dann gab er mir die Hand, gütig und feierlich, und sagte: »Nun, wir wollen uns jetzt verabschieden, solange wir noch allein sind.« Darauf drehte er sich still der Wand zu und schrieb mit einem eingeschmuggelten Bleistift etwas an die weiße Gefängnismauer. Es war eine unbeschreibliche Stille in der Zelle. Kaum hatte er den Bleistift aus der Hand gelegt, da rasselten die Schlüssel und die Tür ging auf. Die Kommissare legten ihm Fesseln an und führten ihn zur Verhandlung.
    Die Worte, die er noch an die Wand geschrieben hatte, hießen:
    »Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten.«
     
    Nach den mündlichen Berichten von Helmut Fietz, wahrscheinlich Herbst 1945 oder Frühjahr 1946

Dr. Leo Samberger, damals Jurastudent und Gerichtsreferendar in München
    Eines Tages, es war der 16 . Februar 1942 , lag in meinem Briefkasten ein zum Brief gefaltetes Flugblatt. Ich habe es gelesen und meinen Augen nicht getraut: Hier war offen ausgesprochen, was alle Einsichtigen dachten. Ich war fasziniert von dem Inhalt und begeistert von dem Mut der tapferen Schreiber, die um einer hohen Idee willen so offensichtlich ihr Leben aufs Spiel setzten.
    Auch waren in diesen Tagen allenthalben, vor allem an den Wänden der Hauptfront der Universität, über Nacht mit meterhohen Buchstaben in leuchtender Farbe die Worte »Freiheit« und »Nieder mit Hitler« aufgemalt worden – rechts und links vom Haupteingang der Universität besonders auffallend. Nach wenigen Stunden war dort eine Kolonne von eifrigen Putzfrauen, unterstützt von übereifrigen Systemanhängern dabei, die Schrift zu beseitigen. Sie machten dies geschickterweise gerade so, daß sie den Buchstaben entlang die Farbe wegfegten, so daß die Schrift für lange Zeit zwar nicht mehr in Farbe, aber durch die Aufhellung der Striche als stilles Mahnmal zu sehen war, das Krieg und Niederlage überstand.
    Am 18 . Februar, zwei Tage, nachdem ich das Flugblatt bekommen hatte – mit dem roten Kopf des Führers als Briefmarke –, war ich in meinem gewohnten juristischen Seminar auf der Universität. Plötzlich, am späten Vormittag, hörte ich in den Gängen ein nervöses Hin- und Herrennen. Ich versuchte zu erfahren, was los war und fand eine allgemeine Panik und Aufregung vor. Studenten hatten von der oberen Galerie des Lichthofs Bündel von Flugblättern herabgeworfen. Die Universität wurde sofort abgesperrt, damit ja kein Schuldiger entweichen konnte. Das Hauspersonal und willige Helfer waren im Großeinsatz bemüht, diese unerhörten Produkte einzusammeln und zu vernichten. Man erfuhr, daß die Täter alsbald durch das »mutige Zupacken« eines Hausmeisters namens Schmid
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