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Die Weiße Rose

Die Weiße Rose

Titel: Die Weiße Rose
Autoren: Inge Scholl
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gefaßt und festgehalten wurden. Ihre Verhaftung und Abführung folgte.
    Wenige Tage danach schon, am 22 . Februar, wurde mit der hektisch-ängstlichen Eile des Systems durch den eigens in Großbesetzung aus Berlin herbeigeeilten Volksgerichtshof den Schuldigen der Prozeß gemacht, dessen Ergebnis feststand, noch ehe ein Wort gesprochen worden war.
    War es Zufall oder Fügung – die Verhandlung war längst, wohl um 9  Uhr, eröffnet –, als ich bei meinem Zigarettenhändler in der Nähe des Justizpalastes erfuhr, daß soeben einige Studenten wegen ihrer aufrührerischen Aktionen vor Gericht standen.
    Ich ging umgehend in den Schwurgerichtssaal – es war etwa 10.30  Uhr, der Prozeß war in vollem Gange. In der Nähe des Eingangs blieb ich stehen. Der Saal war dicht besetzt. Man sah überall angespannte Gesichter. Ich glaubte festzustellen, daß die meisten bleich waren vor Angst. Vor jener Angst, die sich vom Richtertisch her ausbreitete. Mag sein, daß unter den Zuschauern auch erschütterte Parteigläubige waren und Spitzel, deren Blässe aus anderen Gefühlen stammen mochte …
    Was mich persönlich erschütterte, war, daß die Angeklagten, obwohl ich sie nicht persönlich kannte, mir wohlvertraute Gesichter waren aus den Münchener Konzertsälen, in denen gerade in jenen Jahren so viele Menschen bei der Musik Haydns, Mozarts und Beethovens Stärkung und Zuflucht suchten.
    Die Haltung der Angeklagten machte wohl nicht nur mir einen tiefen Eindruck. Da standen Menschen, die ganz offensichtlich von ihren Idealen erfüllt waren. Ihre Antworten auf die teilweise unverschämten Fragen des Vorsitzenden, der sich in der ganzen Verhandlung nur als Ankläger aufspielte und nicht als Richter zeigte, waren ruhig, gefaßt, klar und tapfer.
    Lediglich an körperlichen Reaktionen konnte man das Übermaß an Anspannung erkennen, dem sie standhalten mußten. Hans Scholl, der aufrecht stand, wurde plötzlich bis zur Ohnmacht blaß, ein Schütteln durchlief seinen Körper. Er warf seinen Kopf zurück und schloß die Augen. Aber er fiel nicht um, sondern gab seine nächste Antwort mit fester Stimme. Seine Schwester Sophie und sein Freund Christoph Probst, der für die Zuschauer etwas verdeckt war, zeigten dieselbe standhafte Haltung.
    Die empörende Gesamttendenz des Vorsitzenden Freisler war, die Angeklagten immer wieder als eine Mischung von Dümmlingen und Kriminellen hinzustellen, wenn ihm dies bei ihrer Erscheinung auch sehr schwerfallen mußte. Er sprach sogar irgendwann von Diebstahl, etwa als es um Papierbeschaffung ging. Es mußte eben jeder Verdacht zerstört werden, daß es sich um ehrenhafte Täter mit dem großen Ziel, das Volk zu Pflicht und Freiheit aufzurütteln, handeln könne. Aber diese Märtyrer ließen sich – in den letzten Stunden ihres Lebens – nicht kleinkriegen.
    Nach dieser für die Justiz auf lange Zeit so beschämenden Vernehmung der Angeklagten – sie hat heute noch ihren Schock und Komplex davon –, nach dieser heuchlerischen und beleidigenden Verhandlungsführung klangen die Worte des Anklägers, eines Oberreichsanwaltes, der erwartungsgemäß den Tod der drei Revolutionäre forderte, sachlich und relativ milde.
    Die folgenden knappen Worte der Pflichtverteidiger ließen kein echtes Bemühen erkennen, das Möglichste für die von ihnen Vertretenen zu tun. Der Verteidiger Hans Scholls etwa beteuerte, daß man einfach nicht versteht, wie Menschen derartiges machen konnten, dessen man sich schämen sollte.
    Nach diesem Versagen der Verteidigung drängte sich ein Mann in mittleren Jahren erregt auf dem Gang durch die Zuschauerreihe nach vorne und versuchte zunächst durch Vermittlung des Pflichtverteidigers und, als dies mißlang, selbständig, sich zu Wort zu melden. Es war der Vater der Geschwister Scholl, der offensichtlich für Gestapo und Veranstalter unprogrammgemäß im Verhandlungssaal war und nun mit letzter Verzweiflung dem Gericht Gedanken nahezubringen versuchte, die zugunsten der Angeklagten, seiner Kinder, zu werten waren. Er machte einige weitere verzweifelte Ansätze, sich Gehör zu verschaffen. Als Freisler die für ihn störende Situation erkannte, verbot er den anwesenden Eltern – es zeigte sich, daß auch die Mutter dabei war – die weitere Anwesenheit und ließ sie hinausführen.
    Es war wohl gegen 13.30  Uhr, als sich die Richter zur Beratung zurückzogen. In dieser Pause ließ sich jener widerliche Universitätspedell, der im feierlichen Anzug zu seiner
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